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Alkoholfahrt mit Fahrrad: Strafbarkeit nach § 316 StGB bereits ab 1,6 Promille gegeben


Das Kammergericht Berlin hat sich im Frühjahr 2017 bezüglich der Promillegrenze geäußert, ab wann der Straftatbestand nach § 316 StGB, nämlich die „Trunkenheit im Verkehr“ erfüllt sein kann. Die Richter aus Berlin sahen demnach einen BAK-Wert von 1,6 Promille als ausschlaggebend an, welcher die unwiderlegbare Vermutung der absoluten Fahruntüchtigkeit auslöst. Ein einfacher Verweis auf eine aktuelle Studie reicht nicht aus, um von der gefestigten Rechtsprechung abzuweichen.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:


Dem Angeklagten wurde zur Last gelegt, mit seinem Fahrrad öffentliches Straßenland befahren zu haben und dabei stark alkoholisiert gewesen zu sein. Eine gegen 20:25 Uhr entnommene Blutprobe habe einen Mittelblutalkoholkonzentrationswert von 2,00 Promille ergeben. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage bezüglich der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs. 2 StGB, welcher bei Erfüllung mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft wird.

Das erstinstanzliche Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten freigesprochen. Dies begründete der Tatrichter mit dem „Forschungsbericht des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft e.V.“, welche in einem aktuellen Gutachten forderte, dass die 1,6 Promillegrenze, welche in der Rechtsprechung meist praktiziert wird, dringend nach oben korrigiert werden müsste, da Einschränkungen durch Alkoholkonsum stark subjektiv auftreten und eine „Generalunfähigkeit zur Führung“ v.a. auf dem Fahrrad nicht bejaht werden kann. Anhand der wissenschaftlichen Belege sei eine Verurteilung nach § 316 StGB unangemessen und komme somit bei einem solchen Promillewert noch nicht in Betracht. Eher ist eine Einzelfallabwägung vorzunehmen. Da der Angeklagte keine Passanten geschädigt und eine recht sichere Fahrweise an den Tag legen konnte, verzichtete der Richter auf eine Verurteilung und rechtfertigte diese Entscheidung mit einem Verweis auf den Forschungsbericht.

Gegen den Freispruch wendete sich die Amtsanwaltschaft Berlin mit einer Revision zum Kammergericht. Das Urteil des Amtsgerichtes verfehle die Voraussetzungen des § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO. Nach dieser Vorschrift muss das freisprechende Urteil ergeben, ob der Angeklagte überhaupt überführt wurde und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Daran fehlte es, denn in der Urteilsausführung fehlt bereits die Feststellung seitens des Gerichts, wie hoch die BAK war, als der Angeklagte die Tat beging. Es ist lediglich vom Blutentnahmezeitpunkt die Rede. Des Weiteren wird die Tatzeit nicht angegeben.


Daraufhin hoben die Richter des Kammergerichts die Entscheidung des Amtsgerichtes auf. Es reiche nicht aus, dass der Strafrichter lediglich von einer über 1,6 Promille liegenden Tatzeit-Blutalkoholkonzentration ausgegangen ist, dies müsse explizit im Urteil begründet und mit vorangegangenen Feststellungen belegt werden.


Zudem sei ein Abweichen von der 1,6 Promille-Grenze, welche in der Rechtsprechung ihren Anklang gefunden hat, grundsätzlich möglich, denn der Bundesgerichtshof hat sich letztendlich noch nicht zu diesem Thema geäußert. Ergebnisse statistischer Untersuchungen und der experimentellen Alkoholforschung seien unter einer Gesamtbetrachtung zu würdigen und könnten im Einzelfall eine abweichende Entscheidung rechtfertigen. Dennoch müssen solche Verweisungen auf aktuelle Forschungsberichte aus dem Urteil heraus vollumfänglich verständlich sein und ggf. unter eigenen Erläuterungen der Studienergebnisse wiedergegeben werden, damit keine Pauschalisierung der Rechtsprechung stattfinde.


Letztendlich erteilt das Kammergericht einer Abweichung von der aktuellen Rechtsprechung und ihrer Promillegrenze für Radfahrer zwar grünes Licht, diese kann jedoch nur unter extrem strengen Voraussetzungen und v.a. ausführlicher Begründung seitens des Tatrichters in besonderen Einzelfällen Erfolg versprechen. Es reiche demnach nicht aus, lediglich auf eine aktuelle Studie zu verweisen, es müsse sich im Urteil auch konkret mit dieser auseinandergesetzt werden. Solange dies jedoch seitens der Amtsgerichte noch nicht geschieht, hält die Rechtsprechung wohl an ihrem Grenzwert der 1,6 Promille fest.

Kammergericht, Urt, v. 30.03.2017 – (3) 161 Ss 42/17 (6/17)

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Anwalt für Strafrecht

Fachanwalt für Verkehrsrecht

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