Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) hat mit Urteil vom 16.12. die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 23.05.2022 verworfen, mit dem die Angeklagten vom Vorwurf des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr durch Einwirkung auf ein Pferd freigesprochen worden waren.
Die Entscheidung beruht auf folgendem Sachverhalt:
Die Angeklagten, ein verheiratetes Paar, und die Nebenklägerin waren Nachbarn und befanden sich in einer langjährigen Nachbarschaftsstreitigkeit. Am 19.01.2021 ritt die Nebenklägerin auf ihrem Pferd auf einer öffentlichen Gemeindestraße an dem Anwesen der Angeklagten vorbei. Sie hatte ihr Mobiltelefon eingeschaltet, um eventuelle Übergriffe der Angeklagten zu dokumentieren. Als sie sich dem Anwesen näherte, trat der Angeklagte aus seinem Haus und schrie laut “Hau ab!”. Die Nebenklägerin erwiderte “Halt’s Maul!”. Daraufhin trat die Angeklagte aus dem Haus und schrie ebenfalls “Hau ab!”. Das Pferd der Nebenklägerin erschrak und machte einen Satz zur Seite. Die Nebenklägerin konnte das Pferd jedoch beruhigen und ihren Weg fortsetzen.
Das Amtsgericht verurteilte die Angeklagten wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung jeweils zu Geldstrafen. Das Landgericht Bayreuth hob das Urteil auf die Berufung der Angeklagten hin auf und sprach sie frei. Es verneinte einen Tatentschluss der Angeklagten, eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert zu verursachen, wie es § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB voraussetzt. Es führte aus, dass die Angeklagten lediglich ihre Verärgerung über die Nebenklägerin zum Ausdruck bringen wollten und nicht damit rechnen mussten, dass ihr Verhalten das Pferd erschrecken würde.
BayObLG verwirft Revision
Das BayObLG hat die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin als unbegründet verworfen und das Urteil des Landgerichts Bayreuth bestätigt.
Das BayObLG hat die Beweiswürdigung des Landgerichts als rechtsfehlerfrei angesehen. Es hat ausgeführt, dass es für einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr nicht ausreicht, dass eine abstrakte Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen wird, sondern dass eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert vorliegen muss. Diese muss zudem vorsätzlich oder fahrlässig verursacht werden.
Das BayObLG hat angenommen, dass das Landgericht nachvollziehbar begründet hat, warum es einen Tatentschluss der Angeklagten verneint hat. Es hat dabei berücksichtigt, dass die Angeklagten nur kurz geschrien haben, ohne weitere Handlungen vorzunehmen, die das Pferd hätten erschrecken können. Es hat auch darauf abgestellt, dass die Nebenklägerin selbst angegeben hat, dass ihr Pferd nicht besonders schreckhaft sei und dass sie es schnell wieder unter Kontrolle hatte.
Das Urteil des BayObLG zeigt, dass bei der Beurteilung eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr durch Einwirkung auf ein Pferd eine sorgfältige Prüfung des subjektiven Tatbestands erforderlich ist, um zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu differenzieren. Zudem muss eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder einer fremden Sache von bedeutendem Wert vorliegen, die nicht allein durch eine abstrakte Gefährdungslage begründet werden kann.
BayObLG, Beschl. v. 16.12.2022 – 202 StRR 110/22
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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