Irrt der Betroffene feststellbar über die Funktionsfähigkeit einer Lichtzeichenanlage („Dauerrot“) und begeht dann einen sog. qualifizierten 1-Sec-Rotlichtverstoß ist trotz Vorsatzes nur wegen eines fahrlässigen einfachen Rotlichtverstoßes zu der hierfür vorgesehenen Geldbuße zu verurteilen.
Bei solch einem Irrtum ist der Handlungsunwert des Rotlichtverstoßes deutlich verringert und der Verstoß dementsprechend nicht mehr als grob pflichtwidrig i.S.d. § 25 Abs.1 StVG anzusehen.
Der Betroffene wurde wegen fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens zu einer Geldbuße von 90,00 € verurteilt. Der Betroffene ist von Beruf Bürokaufmann und Immobilienmakler. Im Fahreignungsregister ist der Betroffene nicht vorbelastet.
Zum Sachverhalt: Am 13.9.2016 befuhr der Betroffen in Dortmund den Asselner Hellweg und wollte dort links abbiegen. Hierbei stellte sich die Situation so dar, dass der Betroffene an der Linksabbiegerspur aufgrund der dort separaten Ampel für Linksabbieger warten musste (in erster Position an der Ampel unmittelbar vor dem Haltebalken). Hinter ihm standen mehrere Fahrzeuge. Rechts von ihm, auf der „Geradeausspur“ stand ein LKW und dahinter ein Polizeifahrzeug, dessen Beifahrer den Betroffenen nicht sehen konnte, der Fahrer jedoch schon. Aufgrund der Situations des Stehens des Verkehrs an der fraglichen Ampel wird auf die polizeiliche Skizze Bezug genommen (§267 Abs. 1 S. 3 StPO).
Zu der Zeit, als sich die Polizei auf der rechten Fahrspur befand, waren bereits fünf Grünphasen für die rechte Fahrspur (die Fahrspur der Polizeibeamten) durchlaufen. Die Linksabbiegerspur war zu der Zeit kein einziges Mal freigeschaltet worden. Der Betroffene und sein Beifahrer, hatten hierdurch übereinstimmend den Eindruck, dass die Lichtzeichenanlage "defekt" sein müsse.
Sie entschieden sich dazu, entschieden sich dazu, bei der nächsten Grünphase für die geradeausfahrenden Fahrzeuge nach links abzubiegen, auch wenn für die linke Fahrspur weiterhin Rotlicht angezeigt wurde. Dies taten sie und bogen links ab. Die Polizeibeamten hatten zu dieser Zeit etwa fünf Sekunden bei Rotlicht gewartet. Der gesamte Umlauf der Ampelphasen der Kreuzung beträgt über fünfzig Sekunden. Der Betroffene hatte somit mit seinem Fahrzeug mindestens zweihundertfünfzig Sekunden gewartet. Der Abbiegevorgang verlief unproblematisch. Der Betroffene wurde dann von der Polizei, die auf die Linksabbiegerspur wechselte und ebenfalls bei Rotlicht abbog, angehalten.
Der Betroffene hat den Vorwurf gestanden. Er erklärte, dass er lange gewartet habe, nämlich die bezeichneten fünf Grünphasen für die Geradeausfahrer. Daraufhin sei er zu der Überzeugung gekommen, dass die Lichtzeichenanlage defekt sein müsse. Sodass er danach vorsichtig links abgebogen ist, als es zum sechsten Mal grün für die Geradeausfahrer geworden ist. Sein Beifahrer bestätigte die Einlassung vollständig.
Der Betroffene war wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes nach §§ 37 Abs. II, 49 StVO, 24 StVG zu verurteilen. Das Gericht hatte zwar im Rahmen der Hauptverhandlung zunächst einen Hinweis auf vorsätzliche Begehungsweise erteilt. Sein Verteidiger konnte dem Gericht eine Entscheidung des OLG Hamm vom 10.06.1999 – Ss OWi 486/99 vorlegen, die einen entsprechenden Fall zum Gegenstand hatte und davon ausging, dass in einem derartigen Fall ein Tatbestandsirrtum vorläge. Das OLG Hamm nahm in seiner Entscheidung merkwürdigerweise an, dass der Tatbestandsirrtum sich nicht insgesamt auf die Verurteilung wegen Rotlichtverstoßes auswirke, sondern nur auf das subjektive Merkmal des Vorsatzes und so zu einer Fahrlässigkeitsverurteilung führe. Demnach hat das Gericht eine Fahrlässigkeitsverurteilung vorgenommen. Damals hatte das Gericht die Regelgeldbuße für einen qualifizierten Rotlichtverstoß auf die Geldbuße eines einfachen Rotlichtverstoßes reduziert.
Im vorliegenden Fall folgte das AG Dortmund der damaligen Entscheidung, obwohl ein sog. „1-sec-Verstoß“ vorlag.
Aufgrund des Rotlichtverstoßes hätte bei der gegebenen langen Rotlichtdauer ein Regelfahrverbot festgesetzt werden müssen. Das OLG Hamm hatte festgestellt, dass es sich bei der vorliegenden Problemlage um eine solche handele, in der der Handlungsunwert deutlich verringert sei und der Verstoß nicht mehr als grob pflichtwidrig einzuordnen sei. Im Gegensatz zu den Ausführungen zum Tatbestandsirrtum tritt das Gericht diesen Ausführungen bei. Solche Irrtumssituationen wie im vorliegenden Fall sind typische Fälle, in denen das Handlungsunrecht herabgesetzt wird und der Vorwurf eines grobes Pflichtenverstoßes nach § 25 Abs. 1 StVG entfällt.
Somit hatte das Gericht auch hier kein Fahrverbot festgesetzt.
AG Dortmund, Urt. v. 17.01.2017 - 729 OWi-264 Js 2313/16 -9/17
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Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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