Die Welt des Verkehrs - und des Ordnungswidrigkeitenrechts mag auf den ersten Blick kompliziert erscheinen, doch hin und wieder bringt selbst ein scheinbar zivilrechtlicher Fall interessante Fragen hervor, die auch für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer relevant sein können. Das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) vom 31. Juli 2023 - Aktenzeichen 102 AR 128/23 e - wirft Licht auf die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung und wie sich selbst vermeintliche Fehler in Zustellungsurkunden auf die Gültigkeit der Zustellung auswirken können.
Im vorliegenden Fall des BayObLG ging es um einen Zuständigkeitsstreit im Zivilverfahren, aber die zur Diskussion stehende Frage der Zustellung ist auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren von Bedeutung.
Die Voraussetzungen einer wirksamen Ersatzzustellung
Das BayObLG verwies in seiner Entscheidung auf § 180 der Zivilprozessordnung (ZPO) als Grundlage für die Wirksamkeit einer Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten. Diese Bestimmung besagt, dass, wenn der Zustellungsadressat in seiner Wohnung nicht angetroffen wird und die Übergabe an einen erwachsenen Familienangehörigen oder eine in der Familie beschäftigte Person nicht möglich ist, das Schriftstück in einen zu der Wohnung gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingeworfen werden kann. Mit der Einlegung in den Briefkasten gilt das Schriftstück als zugestellt.
Es ist wichtig, dass der Zusteller das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des Schriftstücks vermerkt. Die Urkunde, die den Zustellungsvorgang dokumentiert, dient ausschließlich als Nachweis der Zustellung und folgt den Bestimmungen des § 182 ZPO. Fehler oder Lücken in dieser Urkunde führen nicht automatisch zur Unwirksamkeit der Zustellung, es sei denn, es liegt ein schwerwiegender Mangel vor.
Beweiskraft der Zustellungsurkunde
Die Zustellungsurkunde hat die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde nach § 418 ZPO und erstreckt sich auf alle in der Urkunde bezeugten Tatsachen. Dazu gehören die Art, Zeit und den Ort der Zustellung. Einschränkungen der Beweiskraft ergeben sich aus widersprüchlichen oder unklaren Angaben in einer ansonsten formal ordnungsgemäßen Zustellungsurkunde.
Im vorliegenden Fall des BayObLG enthielt die Zustellungsurkunde eine Unstimmigkeit hinsichtlich der Zustellanschrift und des Ortes der Zustellung. Diese Angaben lauteten: „A. G., 9xxxx München“. Es ist jedoch offensichtlich, dass die Postleitzahl "9xxxx" nicht zu München gehört, sondern zu einem anderen Ort - E. Des Weiteren gibt es in München keine Straße mit dem Namen "A. G.", während diese in E. existiert.
Das Gericht stellte fest, dass es sich bei der Ortsangabe "München" in der Urkunde um einen offensichtlichen Fehler handelte, der leicht aus der Kombination mit der Postleitzahl hervorging. Der Ort des Zustellungsvorgangs konnte trotz dieses Fehlers zweifelsfrei ermittelt werden. Das Gericht betonte, dass die Wirksamkeit der Zustellung nicht durch diese fehlerhafte Ortsangabe in der Urkunde beeinträchtigt wurde.
Schreibfehler rettet meist nicht vor Bußgeldbescheid
Das Urteil des BayObLG zeigt, wie genau und sorgfältig die Zustellung von Schriftstücken in rechtlichen Verfahren durchgeführt wird. Es unterstreicht jedoch auch, dass nicht jeder Fehler in der Zustellungsurkunde zwangsläufig zur Unwirksamkeit der Zustellung führt. Vielmehr hängt die Gültigkeit der Zustellung von der Schwere des Fehlers ab. Für den juristischen Laien ist es wichtig zu wissen, dass Rechtsverfahren genaue Regeln und Standards befolgen müssen, aber dass nicht jeder Fehler automatisch zu einem rechtlichen Fiasko führt. Dieses Urteil macht deutlich, dass die Rechtsprechung in der Lage ist, Fehler zu erkennen und angemessen zu bewerten.
Dennoch ist es sinnvoll, einen vermeintlichen Bußgeldbescheid mit falschen Infos von einem Fachanwalt für Verkehrsrecht prüfen zu lassen, da sich weitere, verfahrensverhindernde Missstände in dem Schreiben verstecken könnten.
Az.: BayObLG, Beschl. v. 31.07.2023 – 102 AR 128/23 e
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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