top of page
Suche
AutorenbildRA Sven Skana

Vorläufige Fahrerlaubnisentziehung 13 Monate nach Tattag laut LG Stuttgart unverhältnismäßig

Verursacht eine Person einen Verkehrsunfall und entfernt sich dann vom Unfallort, ohne seine Beteiligung, Personaldaten und die Daten seines Fahrzeugs feststellen zu lassen, macht er sich strafbar nach § 142 I Nr. 1 StGB und muss mit weiteren Konsequenzen rechnen. Unter anderem kann das zuständige Gericht durch Beschluss die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO anordnen. Diese Maßnahme soll die Sicherheit des Straßenverkehrs vor mutmaßlich zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeigneten Personen gewährleisten. Das Landgericht Stuttgart hat sich im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens nun mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Voraussetzungen für eine Fahrerlaubnisentziehung auch 13 Monate nach der Tat noch vorliegen und die Maßnahme damit gerechtfertigt sein kann.


Die Angeklagte hatte einen Verkehrsunfall verursacht und erst 14 Stunden später im Polizeirevier ihre Unfallbeteiligung eingeräumt. Nachdem ihr Verteidiger sowie eine weiterer für eine Versicherung tätiger Anwalt Akteneinsicht beantragt und erhalten hatten, geschah 8 Monate lang nichts. Schließlich beantragte die Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl und zudem die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Das Amtsgericht Böblingen beschloss daraufhin die vorläufige Fahrerlaubnisentziehung mit der Begründung, das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs überwiege die Interessen der Fahrerlaubnisinhaberin. Dass bereits 13 Monate seit der Tat vergangen waren, erwähnte das AG, maß diesem Umstand jedoch wenig Bedeutung bei. Dagegen wehrte sich die Angeklagte mit ihrer Beschwerde.


Das LG Stuttgart hat die Entscheidung des AG Böblingen überprüft und den Beschluss zur vorläufigen Entziehung aufgehoben. Zwar sei die Angeklagte der ihr zur Last gelegten Tat dringend verdächtig. Jedoch müssen auch dringende Gründe vorhanden sein, die die Annahme der späteren Entziehung der Fahrerlaubnis mit Abschluss des Verfahrens rechtfertigen. Der Fahrerlaubnisentzug muss in hohem Maße wahrscheinlich sein.

Das Vorliegen der dringenden Gründe stufte das LG hier als fraglich ein.

Zwar hatte das AG zu Recht erkannt, dass eine längere Zeit seit der Tat vergangen war. Jedoch konzentrierte es sich auf die die Angeklagte belastenden Tatsachen, welche die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen untermauern sollten. Außer Acht blieb dabei, dass die Angeklagte seit dem Tattag ohne Verfehlungen am Straßenverkehr teilgenommen hat. Zudem hatte sie sich 14 Stunden nach dem Verkehrsunfall selbst bei der Polizei gemeldet und so die Feststellungen zu ihrer Person, ihrem Fahrzeug und der Unfallbeteiligung ermöglicht. Das LG hat  deshalb eine Ausnahme der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB für möglich gehalten.


Ausschlaggebend war jedoch die Zeit, die zwischen dem Tatzeitpunkt und der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis vergangen war. Obwohl eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis später im Verfahren grundsätzlich möglich ist und es keine Zeitgrenze diesbezüglich gibt, wertete das LG eine solche Entscheidung 13 Monate nach der Tat als unverhältnismäßig. Hinzu kam der von den Ermittlungsbehörden begangene Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot. Dieses verlangt grundsätzlich einen zügigen Abschluss des Strafverfahrens im Interesse des Betroffenen. Im Hinblick auf das 8 Monate lang ruhende Verfahren wegen allein von der Justiz zu verantwortenden Gründen war die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht gerechtfertigt. Zugunsten der Angeklagten erkannte das LG schließlich noch an, dass diese zum Zeitpunkt der Tat nicht vorbestraft war und der Vorwurf im Laufe des Verfahrens abgeschwächt worden war. Das Verfahren gegen sie wegen fahrlässiger Körperverletzung war nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden.


Das LG Stuttgart hat mit der Unverhältnismäßigkeit der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Geeignetheit der Angeklagten zum Führen von Kraftfahrzeugen festgestellt und den Beschluss des AG Böblingen aufgehoben.


AZ: LG Stuttgart, Beschluss vom 04.08.2023 – 9 Qs 39/23


Hinweis:


Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

10 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page