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Freispruch von OWi-Vorwurf! Messung durch nachfahrendes Polizeifahrzeug nicht verwertbar

Besteht der Verdacht einer Geschwindigkeitsüberschreitung, greifen Polizeibeamte zum Beweis mitunter gerne auf die Messung mittels nachfahrendem Polizeifahrzeug zurück. Diese ist, zumindest bei wesentlichen Geschwindigkeitsüberschreitungen, zulässig (Beschluss des KG vom 27.10.2013 - 3 Ws (B) 467/14). Jedoch gelten sogenannte Verfolgungsfahrten nicht als standardisierte Messverfahren, so dass das Tatgericht nach überwigender Ansicht der Oberlandesgerichte im Einzelfall die Zulässigkeit der Messung und die Einhaltung der Voraussetzungen für die Verwertbarkeit prüfen muss. Nach Auseinandersetzung mit der Sachlage hat das AG Dortmund am 17.10.2024 eine Betroffene freigesprochen.


Wie wird die Verwertbarkeit einer Messung mittels Verfolgungsfahrt überprüft?


Tatsächlich muss das Tachometer des Polizeifahrzeugs nicht geeicht und nicht justiert sein, damit die Messung als Beweis vor Gericht Bestand hat. Allerdings muss die Messstrecke ausreichend lang und der Abstand des nachfahrenden Fahrzeugs gleichbleibend und möglichst kurz sein. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 100 km/h muss beispielsweise eine Messstrecke von mehr als 500 m dargelegt und im Urteil festgestellt werden (Beschluss des KG vom 22.08.2017 - 3 Ws (B) 232/17). Die Geschwindigkeitsüberschreitung muss, wie bereits erwähnt, wesentlich sein. Wegen der Ungenauigkeit der Messung ist ein Toleranzabzug von 20 % des Ablesewertes vorzunehmen.

Bei Dunkelheit oder schlechten Sichtverhältnissen sind zudem die Beobachtungsmöglichkeiten der Polizeibeamten anzugeben.


Wie kam es nun zu dem Freispruch durch das AG Dortmund?


Der zur Last gelegte Geschwindigkeitsverstoß fußte auf der Messung mit einem nachfahrenden Polizeifahrzeug mit nicht geeichtem Tachometer. Die Messung fand in einem 1,5 km langen Tunnel statt, wobei die Polizeibeamten bereits vor dem Tunneleingang auf die erhöhte Geschwindigkeit der Betroffenen aufmerksam geworden waren. Der Abstand zwischen Polizeifahrzeug und betroffenem Fahrzeug habe laut Aussage eines Zeugen gleichbleibend etwa 200 m betragen und die Betroffene sei etwa 140 km/h mit Schwankungen von jeweils 5 km/h gefahren.

Der Zeugenaussage widersprach jedoch das zwecks Beweisführung angefertigte Messprotokoll. Daraus ergab sich eine gleichbleibende Geschwindigkeit von 140 km/h und eine Abstandsstrecke von 50 m - also nicht 200 m. Der Abstand habe sich zudem während der Messung vergrößert.

Das AG Dortmund hegte aufgrund der Widersprüche Zweifel daran, ob überhaupt eine richtige Messung stattgefunden hatte. Es zog stattdessen eine erweiterte Form der Geschwindigkeitsschätzung in Betracht. Mangels eindeutiger Messdaten konnte das Gericht keine Feststellungen bezüglich des Abstands oder des Messergebnisses treffen. Hätten die Polizeibeamten eine Zeitmessung am Beginn und am Ende des Tunnels durchgeführt, hätte eine Weg-Zeitberechnung die Plausibilität der gemessenen Geschwindigkeit bestätigen oder widerlegen können.

Die Messung durch Nachfahren war wegen der Ungenauigkeiten bei der Messung nicht verwertbar, sodass die Betroffene vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung freizusprechen war.


AZ: AG Dortmund, Urt. v. 17.10.2024 - 729 OWi-267 Js 1305/24-100/24


Hinweis:


Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

 

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

 

 
 
 

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