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AutorenbildRA Sven Skana

Geschwindigkeitsvorwurf: Recht auf faires Verfahren umfasst auch Einblick in Rohmeßdaten

Aktualisiert: 22. Dez. 2020


In dem vom BVerfG aktuell verhandelten Fall war der Beschwerdeführer (nachfolgend BF) außerorts 30 km/h zu schnell gefahren. Er beantragte gegenüber der Behörde Einsicht in die gesamte Verfahrensakte, die Lebensakte des Messgerätes, die Bedienungsanleitung des Herstellers, die Rohmessdaten der gegenständlichen Messung und in den Eichschein des eingesetzten Messgerätes.


Die Behörde ermöglichte dem BF daraufhin zwar Einsicht in die Bußgeldakte, jedoch enthielt diese nur das Messprotokoll, das Messergebnis und den Eichschein. Im Hinblick auf die restlichen Informationen wurde er darauf verwiesen, dass diese nicht Teil der Akte seien und eine Vorlage nur auf gerichtliche Anordnung erfolgen würde.


Nachdem der BF gegen den Bußgeldbescheid später erfolglos Einspruch eingelegt und sein Informationsgesuch ebenso erfolglos wiederholte hatte, kam es zum gerichtlichen Verfahren vor dem AG, das den Antrag des BF auf gerichtliche Entscheidung bzgl. des Informationszugangs verwarf und ihn zu einer Geldbuße mit einem Monat Fahrverbot verurteilte.

Die eingelegte Rechtsbeschwerde wurde vom OLG Bamberg verworfen. Der BF wandte sich daher an das BVerfG und rügte die Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG aufgrund des nicht gestatteten Zugangs zu den begehrten Informationen durch die Fachgerichte – mit Erfolg.


Die 3. Kammer des 2. Senats des BVerfG führte aus, dass bei standardisierten Messverfahren im Grundsatz geringere Anforderungen an die Beweisführung und Urteilsfeststellungen der Fachgerichte gestellt werden bzw. reduzierte Feststellungs- und Duldungspflichten für diese gelten. Das bedeute, dass für den Nachweis einer Geschwindigkeitsüberschreitung grundsätzlich die Mitteilung des eingesetzten Messverfahrens, der ermittelten Geschwindigkeit nach Abzug der Toleranz und des berücksichtigten Toleranzwertes ausreichend seien.

Eine Ausnahme gelte jedoch dann, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses bestünden. Sei dies der Fall, so ergebe sich aus dem Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren das Recht auf Zugang zu solchen Informationen, die sich zwar außerhalb der Bußgeldakte befänden, aber zum Zwecke der Ermittlungen entstanden und bei der Bußgeldbehörde noch vorhanden seien. Dieses Recht bestehe von Beginn des Verfahrens an bis zu dessen Abschluss.

Allerdings bedürfe dieses Informationsrecht in Anbetracht der sehr häufig auftretenden Ordnungswidrigkeiten einer gewissen Eingrenzung, um der Gefahr einer Beeinträchtigung der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege, insbesondere einer uferlosen Ausforschung, von Verfahrensverzögerungen sowie Rechtsmissbrauch entgegenzuwirken.


Daher setze der Informationszugang voraus, dass die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen OWi-Vorwurf stünden und zum anderen eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen, der Betroffene bzw. sein Verteidiger die Informationen also für die Beurteilung des OWi-Vorwurfs verständigerweise für bedeutsam halten dürfe.


Mit dem Informationsrecht solle dem Bürger die Möglichkeit eingeräumt werden, die Richtigkeit des angezweifelten Messvorgangs eigenständig zu überprüfen und sich über Tatsachen, die zu seiner Entlastung beitragen könnten, Gewissheit zu verschaffen (BVerfG, Beschluss vom 12.11.2020, 2 BvR 1616/18).

Foto: AdobeStock Nr. 309058131

Hinweis

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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