Anlässlich der Prüfung einer Rechtsbeschwerde in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren hat sich das Brandenburgische Oberlandesgericht mit der Frage beschäftigt, ob eine vorsätzliche Tatbegehung durch die Fehlvorstellung des Täters über das Ende einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung angenommen werden kann.
Der Betroffene war mit seinem Pkw auf einer Bundesautobahn gefahren und hatte trotz beidseitiger Beschilderung mit der Warnung „unebene Fahrbahn“ und Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h noch in dem geschwindigkeitsbegrenzten Streckenabschnitt auf 135 km/h beschleunigt. Er hatte dabei keine Fahrbahnschäden mehr feststellen können. Aufgrund der anderen ebenfalls beschleunigenden Pkw-Fahrer auf seiner Strecke und mangels sichtbarer Schäden, war er davon ausgegangen, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung nicht mehr galt. Der Betroffene war daraufhin vom Amtsgericht Cottbus wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 35 km/h zu einer Geldbuße von 240,- € verurteilt worden.
Das Amtsgericht hatte sein Urteil damit begründet, dass die völlig eigenmächtige Auslegung des Betroffenen nicht als Irrtum zu seinen Gunsten gewertet werden könne. Dass dieser die Geschwindigkeitsbegrenzung im Laufe des betroffenen Abschnitts selbständig für sich aufgehoben hatte, sollte also nun nicht zur Ablehnung des Vorsatzes wegen eines Irrtums führen. Denn tatsächlich bestand die Gefahr von Fahrbahnaufwölbungen weiterhin.
Der Betroffene beantragte die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil, rügte gleichzeitig die Verletzung materiellen Rechts und beanstandete die vom Amtsgericht rechtsverletzt zu Grunde gelegte vorsätzliche Tatbegehung.
Irrtum über Dauer des Streckenverbots als äußerer Umstand
Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat die Rechtsbeschwerde mit der Begründung zugelassen, dass das Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachgeprüft werden müsse. In gleich gelagerten Fällen sei mit vergleichbaren Entscheidungen des Amtsgerichts Cottbus zu rechnen.
Die Sache ist dem Bußgeldsenat sodann zur Entscheidung übertragen worden.
Laut OLG sei das AG Cottbus rechtsfehlerhaft von einer vorsätzlichen Begehung ausgegangen. Nach den getroffenen Feststellungen habe der Betroffene die Beschilderung wahrgenommen und sich sodann auch bewusst zur Beschleunigung auf 135 km/h entschlossen. Er unterlag damit jedoch keinem vermeidbaren Verbotsirrtum gem. § 11 Abs. 2 OWiG, der aus dem Irrtum über die Geschwindigkeitsregelung resultiert hätte. Vielmehr betraf sein Irrtum die Dauer der Fortgeltung der Geschwindigkeitsregelung und damit einen äußeren Umstand, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, § 11 Abs. 1 S. 1 OWiG. Ein Vorsatz wurde vom Brandenburgischen Oberlandesgericht sodann folgerichtig ausgeschlossen.
Regelung zur streckenbezogenen Geschwindigkeitsbegrenzung
Das angeordnete Streckenverbot entfällt regelmäßig auch ohne Aufhebungszeichen dann, wenn sich aus der Örtlichkeit zweifelsfrei ergibt, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr besteht. Über den Umstand, dass die Gefahrenstelle hier entgegen seiner Annahme nicht zweifelsfrei geendet hatte, sondern die Gefahr weiterhin bestand und die streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkung deshalb fort galt, habe sich der Betroffene schließlich geirrt. Wegen der fahrlässigen Fehleinschätzung der Örtlichkeit sei für die Annahme vorsätzlichen Verhalten kein Raum.
Der Bußgeldsenat hat den Angeklagten lediglich wegen fahrlässiger Begehung der Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 120,- € verurteilt. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat somit einen Teilerfolg. Im Übrigen hat das OLG keine materiell-rechtlichen Fehler zum Nachteil des Betroffenen gesehen.
AZ: OLG Brandenburg, Beschluss vom 17.11.2022 - 2 OLG 53 Ss-OWi 388/22
Hinweis:
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Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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