
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat sich im August 2020 erneut mit dem Fahrerlaubnisentzug in Verbindung mit Drogenkonsum sowie den Voraussetzungen des klassischen medizinisch-psychologischen Gutachtens MPU auseinandergesetzt und in diesem Hinblick vor allem den Punkt der Verhältnismäßigkeit genauer unter die Lupe genommen sowie weitreichend konkretisiert.
Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Bei dem Kläger handelt es sich um einen jungen Mann, welcher bereits im Oktober 2016 aufgrund des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe verurteilt wurde. Im darauffolgenden Monat kam es zu einem Verkehrsunfall, bei welchem der Kläger wohl unter Betäubungsmitteln stand, welche ihm jedoch ärztlich verordnet wurden. Aufgrund welcher Krankheit die Tabletten sowie ein Sativex-Spray verschrieben wurden, war dem vorgelegten Attest nicht zu entnehmen. Es folgte die Einstellung seitens der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO.
Im Februar 2017 wurde bei dem Kläger in einer allgemeinen Verkehrskontrolle drogentypische Auffälligkeiten festgestellt. In der Blutprobe wurde ein Alkoholgehalt von 0,33 Promille sowie ein THC-Gehalt von 0,4 ng/ml nachgewiesen. Das Verfahren aufgrund Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB wurde zwar seitens der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, dennoch meldete sich die Fahrerlaubnisbehörde im September 2017 beim Kläger und forderte die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ein, da aufgrund der Verurteilung des Betäubungsmittelhandels sowie der Dauermedikation mit Cannabis und der Grunderkrankung des Klägers ein berechtigter Zweifel an der Fahreignung bestünde.
Gegen die Beibringungsforderung des MPU-Gutachtens wurde durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers Einwendungen erhoben. Die Behörde schloss einen Kompromiss und fordert von nun an nur noch ein ärztliches Fahreignungsgutachten.
Das Gutachten wurde nicht fristgerecht beigebracht. Es folgte der Entzug der Fahrerlaubnis.
Dagegen erhob der Betroffene Widerspruch. Nach dem Erhalt des negativen Widerspruchsbescheids folgte die Klage am Verwaltungsgericht Bayreuth. Auch dieses sah in der Einholung des ärztlichen Gutachtens keine Problematik und wies die Klage ab. Ein solches Gutachten sei sowohl zur Aufklärung des Betäubungsmittelkonsums als auch des Gesundheitszustandes des Klägers in Verbindung mit seiner notwendigen Leistungsfähigkeit für den Straßenverkehr gerechtfertigt. Der Umstand, dass der Betroffene aufgrund seiner chronischen Krankheit mit medizinischem Cannabis behandelt wird, führt nicht zwingend zur Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die zu klärenden Fragen seien vorrangig medizinischer Natur. Die Behörde müsse in solchen Fällen im Sinne der Erforderlichkeit innerhalb des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes stets das mildeste Mittel zur Sachverhaltsaufklärung anwenden, was hier der Fall war. Dies bedeutet, dass die Beibringung eines Gutachtens stets anlassbezogen stattfinden muss. Dem Betroffenen darf an Untersuchung nicht mehr abverlangt werden als erforderlich.
Dies wäre bei einem medizinisch-psychologischen Gutachten gegenüber dem ärztlichen Fahreignungsgutachten jedoch der Fall, da dies über eine rein medizinische Feststellung hinausgeht und zudem im psychischen Teil eine Offenlegung der engeren persönlichen Lebenssphären erfordert.
Zudem gingen die Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes innerhalb der Beschwerde nochmal auf die Begründungserfordernis der Beibringungsaufforderung ein. Diese ist zu begründen. Der Betroffene muss der nicht selbstständig rechtlich anfechtbaren Anordnung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist, ob das dort Mitgeteilte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung rechtfertigen kann und welche Problematik in welcher Weise geklärt werden soll. Diese Voraussetzungen wurden jedoch im obigen Fall erfüllt. Auch wurde die Verhältnismäßigkeit gewahrt Die Berufung wurde abgewiesen. Es bleibt beim rechtmäßigen Fahrerlaubnisentzug aufgrund mangelnder Erbringung des ärztlichen Gutachtens. Eine MPU-Anordnung wäre aber fehlerhaft gewesen.
VGH München, Beschluss v. 25.08.2020 – 11 ZB 20.1137
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Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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