Das Oberlandesgericht Celle hat am 31.01.2023 ein Urteil gefällt, das sich mit der Haftung von Bahnbetreibern und Autofahrern bei einem Bahnunfall befasst. Das OLG Celle hat entschieden, dass ein Bahnbetreiber nicht für den Schaden haftet, der einem Autofahrer entsteht, wenn dieser bei offenen Schranken auf einen unbeschrankten Bahnübergang fährt und mit einer Bahn kollidiert.
Der Fall beruht auf folgendem Sachverhalt:
Die Klägerin hatte die Beklagten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Schienenbahnunfall in Anspruch genommen. Am 14.01.2020 war sie mit ihrem Pkw auf einer Landstraße unterwegs und wollte einen unbeschrankten Bahnübergang überqueren. Kurz vor dem Bahnübergang befand sich ein anderer Bahnübergang, der mit Halbschranken gesichert war. Die Halbschranken waren zum Zeitpunkt des Unfalls geöffnet. Die Klägerin fuhr bei grünem Licht über den ersten Bahnübergang und bog nach rechts ab, um den zweiten Bahnübergang zu überqueren. Dabei übersah sie das rote Blinklicht an dem unbeschrankten Bahnübergang und kollidierte mit einer herannahenden Regionalbahn der Beklagten zu 2). Die Klägerin erlitt schwere Verletzungen und ihr Pkw wurde total beschädigt.
Die Klägerin machte geltend, dass die Beklagten für den Unfall verantwortlich seien, weil sie die Halbschranken an dem ersten Bahnübergang nicht geschlossen hätten, obwohl eine Zugfahrt bevorstand. Sie behauptete, dass sie durch die offenen Schranken in die Irre geführt worden sei und dass sie bei geschlossenen Schranken bei geschlossenen Schranken gewartet und den zweiten Bahnübergang nicht überquert hätte.
Die Beklagten wiesen die Klage ab und beriefen sich auf das Mitverschulden der Klägerin. Sie trugen vor, dass die Halbschranken an dem ersten Bahnübergang nur für diesen gelten würden und dass die Klägerin den unbeschrankten Bahnübergang auf eigene Gefahr überqueren müsse. Sie behaupteten, dass die Klägerin das rote Blinklicht an dem unbeschrankten Bahnübergang hätte erkennen und beachten müssen.
Das Landgericht Bückeburg wies die Klage ab und stellte fest, dass die Beklagten nicht für den Unfall haften würden. Das Landgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Klägerin den Unfall allein verschuldet habe, indem sie das rote Blinklicht an dem unbeschrankten Bahnübergang missachtet habe. Das Landgericht sah keine Anhaltspunkte dafür, dass die offenen Schranken an dem ersten Bahnübergang eine Fehlinterpretation der Verkehrslage bewirkt hätten.
Die Klägerin legte gegen das Urteil Berufung zum OLG Celle ein.
OLG Celle bestätigt Vorinstanz – Autofahrerin hätte aufmerksamer sein müssen
Das OLG Celle bestätigte das Urteil des Landgerichts und wies die Berufung der Klägerin zurück. Das OLG Celle führte aus, dass die Beklagten nicht nach § 1 HaftPflG oder § 823 Abs. 1 BGB für den Unfall haften würden. Denn sie hätten weder eine Gefährdungshaftung noch eine Verschuldenshaftung zu vertreten.
Das Gericht erklärte, dass eine Gefährdungshaftung nach § 1 HaftPflG nur dann in Betracht komme, wenn der Unfall durch den Betrieb einer Schienenbahn verursacht worden sei. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Denn der Unfall sei nicht durch einen typischen oder spezifischen Betriebsvorgang einer Schienenbahn entstanden, sondern durch das Fehlverhalten der Klägerin als Straßenverkehrsteilnehmerin.
Die Richter stellten klar, dass eine Verschuldenshaftung nach § 823 Abs. 1 BGB nur dann gegeben sei, wenn die Beklagten eine Verkehrssicherungspflicht verletzt hätten. Dies sei jedoch ebenfalls nicht der Fall gewesen. Denn die Beklagten hätten ihre Verkehrssicherungspflicht erfüllt, indem sie den unbeschrankten Bahnübergang mit einem roten Blinklicht gesichert hätten.
Es ist für die Haftungsfrage unerheblich, ob die Halbschranken an dem ersten Bahnübergang geöffnet oder geschlossen waren. Denn dies habe keinen Einfluss auf die Sicherheit des unbeschrankten Bahnübergangs gehabt. Das OLG Celle betonte, dass es allein Sache der Klägerin gewesen sei, die Verkehrslage richtig zu erfassen und sich entsprechend zu verhalten.
Az.: OLG Celle, Urt. v. 31.01.2023 – 14 U 133/22
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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