Seitdem Cannabis in Form von getrockneten Blüten sowie besonderen Extrakten zu medizinischen Zwecken ermöglicht erlaubt ist, bestehen zahlreiche ungeklärte Fragen hinsichtlich der Verkehrstauglichkeit der Gesetzesänderung. Im April 2019 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof einen Beschluss veröffentlicht, welcher die Verträglichkeit von medizinischem Cannabis in Verbindung mit einer Fahrzeugführung weiter konkretisiert.
Als allgemeiner Überblick ist erstmal zu hinterfragen, welche strafrechtlichen Folgen die Führung eines Fahrzeuges unter Cannabiseinwirkung mit sich bringt:
Einerseits erfülle dies den Tatbestand des § 316 StGB, wenn unter Einfluss von THC ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt wird und in der konkreten Verkehrssituation eine Fahruntüchtigkeit nachgewiesen werden kann. Anders als bei Alkohol gibt es für Betäubungsmittel keine festgesetzten Grenzen der „absoluten Fahruntüchtigkeit“. Demnach kann in solchen Fällen nur der Nachweis der „relativen Fahruntüchtigkeit“ geführt werden. Diese kann sich nur in der Form zeigen, dass dem Fahrzeugführer durch sein Fahrverhalten oder durch sonstige erhebliche Beeinträchtigungen in seinem Wesen anzusehen ist, dass dieser nicht die volle Leistungsfähigkeit erbringen kann und etwaige Reduzierungen der Wahrnehmungs – und Reaktionsfähigkeit vorliegen (Ausfallerscheinungen). Hinsichtlich des strafrechtlichen Bereiches ist es völlig unbeachtlich, ob das Cannabis legal auf Rezept verschrieben oder illegal beschafft wurde.
Unterschiede zeigen sich erst in Abgrenzung zum Ordnungswidrigkeitsrecht. Das Führen eines Kraftfahrzeuges unter Einfluss von THC (mindestens 1 ng/ml) ohne Ausfallerscheinung erfüllt den Tatbestand des § 24 a Abs. 2 StVG. Wurde dem Betroffenen jedoch medizinisches Cannabis für den konkreten Krankheitsfall verschrieben und auch ordnungsgemäß eingenommen, so greift das sogenannte „Medikamentenprivileg“ aus § 24 a Abs. 2 Satz 3 StVG; der Betroffene hat keinen Bußgeldbescheid zu befürchten. Sobald die Medikation jedoch missbräuchlicheingenommen wurde (z.B. höhere Dosis oder regelmäßigere Dosis), so gilt die Ausnahme nicht mehr, man begeht eine Ordnungswidrigkeit.
Die Entscheidung des BayVGH thematisiert das verwaltungsrechtliche Fahrerlaubnisrecht, fokussiert auf das Merkmal der Fahreignung, welches bei nachgewiesenen Betäubungsmittelkonsum einen hohen Stellenwert einnimmt. Damit diese Eignung bestehen bleibt, dürfe das Medikamentenprivileg durch den Fahrerlaubnisinhaber nicht missbräuchlich ausgenutzt werden. In Worten des BayVGH müsse sich der Patient demnach strikt an die ärztliche Verordnung bezüglich der Einnahme der Medikation halten, ansonsten bestehe nach Nr. 9.4 der Anlage 4 zur FeV keine Fahreignung. Im zugrundeliegenden Sachverhalt hat der Betroffene das Cannabis nach eigener Einlassung in sogenannten Joints konsumiert, anstatt nach der ärztlichen Verordnung mittels Vaporisation und Inhalation. Des Weiteren hat er sich nicht an die verordneten Einzeldosen von 0,4 Gramm gehalten, sondern diese selbst nach Belieben eingeteilt.
Aufgrund erhöhter Dosis reichten ihm die rezeptpflichtigen Blüten nicht mehr aus. Um die Medikation jedoch weiter fortzuführen besorgte er sich illegales Cannabis vom Schwarzmarkt. Auch dies ist aus Sicht des BayVGH ein Umstand, welcher die Fahreignung entfallen lässt. Auch ein nachgewiesener fahreignungsrelevanter Mischkonsum mit Alkohol rechtfertigt einen Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund mangelnder Fahreignung.
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Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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