Wer eine Verkehrsordnungswidrigkeit begeht, die mit einem Fahrverbot geahndet wird, kann unter Umständen von diesem Fahrverbot verschont bleiben, wenn die Verfahrensdauer unangemessen lang ist. Doch wann ist das der Fall und welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt sein? Das OLG Hamm hat sich mit dieser Frage in einem aktuellen Beschluss beschäftigt.
Es handelte sich dabei um folgende Geschehnisse, welche der Entscheidung des Gerichts zugrunde liegen:
Der Betroffene fuhr mit seinem Pkw auf einer Autobahn und ist in eine Radarfalle gefahren. Er hatte die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten. Das Amtsgericht Hattingen verurteilte ihn wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 1.800 Euro und ordnete gegen ihn ein dreimonatiges Fahrverbot an. Es erhöhte die Regelgeldbuße in Höhe von 600 Euro wegen der vorsätzlichen Begehungsweise und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen. Dieser legte Rechtsbeschwerde ein und machte geltend, dass das Fahrverbot wegen der langen Verfahrensdauer entfallen müsse.
Fahrverbot kann bei fahrverbotsfeindlicher Verfahrensdauer entfallen
Das OLG Hamm gab der Rechtsbeschwerde teilweise statt und änderte das Urteil dahin ab, dass das Fahrverbot entfiel. Das Gericht bestätigte die Feststellungen des Amtsgerichts zur objektiven und subjektiven Tatseite sowie zur Bemessung der Geldbuße. Es sah jedoch einen Rechtsfehler bei der Anordnung des Fahrverbots.
Es führte aus, dass ein Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 StVG grundsätzlich eine Nebenfolge sei, die nur angeordnet werden dürfe, wenn dies zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich sei. Es müsse daher eine Abwägung zwischen dem Gewicht des Verstoßes und dem Gewicht des Eingriffs in die Rechte des Betroffenen erfolgen.
Es stellte fest, dass im vorliegenden Fall die Verfahrensdauer von mehr als zwei Jahren zwischen Tatbegehung und erstinstanzlicher Entscheidung eine fahrverbotsfeindliche Verfahrensdauer darstelle, die zu einer Unverhältnismäßigkeit des Fahrverbots führe. Es verwies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der eine solche Verfahrensdauer als unangemessen lang angesehen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 18.10.2018 - 4 StR 328/18).
Die Richter berücksichtigten dabei, dass die lange Verfahrensdauer nicht auf dem Verschulden oder dem Verhalten des Betroffenen beruhte, sondern auf organisatorischen Mängeln bei den Behörden und Gerichten. Es wies darauf hin, dass es Sache des Staates sei, für eine angemessene personelle und sachliche Ausstattung der Justiz zu sorgen. Daher sah man keine Erforderlichkeit mehr für die Anordnung eines Fahrverbots und hob dieses auf.
Prüfung der Verfahrensdauer ausschlaggebend
Der Beschluss des OLG Hamm zeigt, dass ein Fahrverbot nicht automatisch verhängt werden muss, wenn eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen wurde, die mit einem Fahrverbot geahndet wird. Es kommt darauf an, ob das Fahrverbot noch verhältnismäßig und erforderlich ist. Zudem ist eine Einschätzung einzuholen, mit welcher Zeitspanne im Prozess zu rechnen ist. Es empfiehlt sich daher, bei einer Verkehrsordnungswidrigkeit mit Fahrverbot nicht nur die Geldbuße zu zahlen, sondern auch die Verfahrensdauer zu beachten. Wenn diese unangemessen lang ist, kann dies zu einem Entfallen des Fahrverbots führen. Dies kann jedoch nur der Fall sein, wenn die lange Verfahrensdauer nicht auf dem Verschulden oder dem Verhalten des Betroffenen beruht.
Az.: OLG Hamm, Beschl. v. 17.01.2023 - III RBs 331/22
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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