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AutorenbildRA Sven Skana

Absehen vom Fahrverbot im Bußgeldverfahren bei freiberuflicher Tätigkeit des Betroffenen

Ein Fahrverbot bedeutet für Betroffene oftmals einen massiven Einschnitt in ihrem persönlichen, aber auch in ihrem beruflichen Alltag. In Bezug darauf hatte das OLG Frankfurt am Main bereits in einer Sache klargestellt, dass von einem Fahrverbot dann abgesehen werden kann, wenn der Sachverhalt durch wesentliche Besonderheiten gekennzeichnet ist, die für den Betroffenen persönlich eine außergewöhnliche Härte darstellen (OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 26.04.2022 - 3 Ss-OWi 415/22).


Ob das Fahrverbot auch für Freiberufler berufliche Folgen hat und damit eine außergewöhnliche Härte für freiberuflich arbeitende Betroffene darstellt, hat das KG Berlin mit Beschluss vom 20.04.2023 entschieden. Das Amtsgericht Tiergarten hatte den Betroffenen zuvor wegen einer Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr unter anderem zu einem Fahrverbot verurteilt. Nach Ansicht des Amtsgerichts sei der Betroffene auf seinen Führerschein angewiesen, zum Betreiben seines Gewerbes müsse er Kraftfahrzeuge führen. Allerdings nahm das Tatgericht die betriebswirtschaftliche Auswertung per Oktober 2022 nicht zum Anlass, von dem angedrohten Fahrverbot abzusehen und Abschirmungsmaßnahmen für unzumutbar zu erklären. Der Betroffene erhob eine Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten.


Geringfügig negatives Betriebsergebnis kein Anlass für Absehen von Fahrverbot

Das KG bestätigte die Annahme des Tatgerichts, dass der Umstand eines geringfügig negativen Betriebsergebnisses nicht zum Anlass zu nehmen ist, Abschirmungsmaßnahmen wie die Beschäftigung eines Fahrers für die Zeit des Fahrverbots für unzumutbar zu halten. Die Aussagekraft der betriebswirtschaftlichen Auswertung hänge maßgeblich vom Buchungsverhalten des Handeltreibenden ab, so dass die genannte Kennzahl keinen validen Aufschluss über die Belastbarkeit des vom Betroffenen geführten Unternehmens gebe. Das Urteil des AG Tiergarten umfasste zwar weder Betriebsvermögen noch Darlehensbelastungen des Unternehmens. Die unterbliebene Aufklärung darüber wäre bei wirksam erhobener Verfahrensrüge geboten gewesen. Eine Verfahrensrüge war jedoch nicht erhoben worden.


Erstverbüßerprivileg erfordert strengeren Maßstab für außergewöhnliche Härte

Dass gegen den Betroffenen kein Fahrverbot innerhalb der zwei Jahre vor der Tat oder vor Entscheidung in dieser Sache verhängt worden war und das Fahrverbot deshalb gem. § 25 Abs. 2a StVG nach Rechtskraft innerhalb von vier Monaten angetreten werden kann, rechnete das Amtsgericht nach Ansicht des Kammergerichts rechtsfehlerfrei dem Betroffenen an. Neben diesem für den Betroffenen planerisch erleichternden Erstverbüßerprivileg hat der Betroffene die Möglichkeit, eine Teilzeitkraft mit Fahrerlaubnis als Fahrer einzustellen und dafür nötigenfalls einen Kredit aufzunehmen. Das Privileg des § 25 Abs. 2a StVG erfordert auf der anderen Seite einen strengeren Maßstab für das Vorliegen einer Härte ganz außergewöhnlicher Art, um den Wegfall des Regelfahrverbots zu rechtfertigen. Wegen der möglichen vom AG benannten Maßnahmen reichten die beruflichen Folgen für den Betroffenen nicht an den strengen Maßstab heran, sodass eine außergewöhnliche Härte trotz geringfügig negativer Betriebsbilanz nicht festgestellt werden konnte.

Das KG bestätigte das Urteil des AG Tiergarten und verwarf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen als offensichtlich unbegründet nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO.

Wäre vorliegend eine Verfahrensrüge erhoben worden, wären Feststellungen hinsichtlich der Belastbarkeit des Unternehmens des Betroffenen notwendig geworden, um eine außergewöhnliche Härte gegebenenfalls doch bejahen zu können.


AZ.: KG, Beschl. v. 20.04.2023 - 3 ORBs 68/23 – 162 Ss 31/23


Hinweis:


Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht


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