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AutorenbildRA Sven Skana

„Alleinrennen“ Straßenrennen nach § 315 d Abs. 1 Nr. 3 StGB verfassungsgemäß?


Die Frage über die Verfassungsmäßigkeit des neu eingeführten § 315 d StGB wurde im Dezember 2019 vom Kammergericht Berlin weitestgehend begründet. Aufgrund einer Entscheidung des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen ist die Diskussion jedoch erneut entflammt, da der Richter des AG sich gegen die Verfassungsmäßigkeit der Norm aussprach, das Verfahren aussetzte und die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorlegte.


Die obergerichtliche Entscheidung des Kammergerichts vom 20.12.2019 wendet sich gegen diese Behauptung. Der Gesetzestext der Nr. 3 erfordert eine Kraftfahrzeugführung mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidriger und rücksichtsloser Fortbewegung, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.


Das Fahren mit nicht angepasster Geschwindigkeit kann jedoch nicht einer Ordnungswidrigkeit wie der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit gleichgestellt werden, es bedarf einer deutlich höheren Schwelle, um dem ultima-ratio-Grundsatz des Strafrechts gerecht zu werden. Dies erfolgt bei diesem Tatbestandsmerkmal durch das Erfordernis, die Geschwindigkeitsüberschreitung dauerhaft zu halten und der konkreten Verkehrssituation, welche sich anhand der Sicht – und Wetterverhältnisse messen lässt, dauerhaft durch ein Fehlverhalten zuwiderzulaufen.

Dazu müssen die Merkmale der grob verkehrswidrigen und rücksichtslosen Fortbewegung gegeben sein. Diese müssen kumulativ, also gleichzeitig vorliegen, um den Tatbestand des § 315 d Abs.1 Nr.3 StGB zu eröffnen. Die grobe Verkehrswidrigkeit ergibt sich aus einem objektiv besonders schweren Verkehrsverstoß, welcher sich meist aus einer Kombination der „sieben Verkehrssünden“ des § 315 c Abs. 1 Nr. 2 StGB ergibt. Des Weiteren müsse dies rücksichtslos geschehen, d.h. dass der Fahrer keinerlei Sorgfaltspflichten eines Fahrzeugführers nachgeht und dieses Verhalten von extremen Leichtsinn und grober Gleichgültigkeit getragen wird.


Letztlich setzt ein teils subjektives Element voraus, dass diese Umstände herbeigeführt werden müssen, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen. Dies richtet sich meist nach den technischen Möglichkeiten des jeweils eingesetzten Wagens.


Aufgrund dieser, durch richterliche Rechtsfortbildung geschaffenen Grundsätze des § 315 d Abs. 1 Nr. 3 StGB solle dieser auch dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG gerecht werden, wie das Kammergericht urteilte.

Dieses Gebot sieht das AG Villingen-Schwenningen jedoch in seinem Beschluss vom 16.01.2020 als unerfüllt an und leitet die Sache an das BVerfG weiter, mit dem Anliegen, über die Bestimmtheit des § 315 d Abs. 1 Nr. 3 zu urteilen.


Dem Beschluss liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Angeschuldigte sollte am 31.05.2019 einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen werden. Als die Beamten die Kontrolle kenntlich machten, beschleunigte dieser sein Fahrzeug rapide, wodurch sich eine Verfolgungsjagd entwickelte. Dabei kam es ihm darauf an, sein Fahrzeug so schnell wie möglich auf die maximale Höchstgeschwindigkeit zu beschleunigen, wobei er zahlreiche Verkehrsvorschriften ignorierte und teils innerhalb geschlossener Ortschaften eine Geschwindigkeit von 100 km/h erreichte. Die Verfolgung endete aufgrund einer Kollision des Beschuldigten mit einem sogenannten „Verkehrsteiler“ (Pfeiler, welcher verschiedene Fahrwege voneinander separiert). Nach erneutem Versuch der Weiterfahrt wurde er von den Beamten der Polizeistreife verhaftet. Bei einer nachträglichen Blutentnahme wurden Betäubungsmittelnachweise festgestellt, welche deutlich über den Grenzwerten lagen.

Das Amtsgericht verweigert jedoch ein Urteil anhand der getätigten Feststellungen und sieht den §315 d Abs. 1 Nr. 3 StGB als zu unbestimmt an. Diese Zweifel sollen durch die Kontrolle des Bundesverfassungsgerichtes ausgeräumt werden. Bis dahin ist das Verfahren ausgesetzt.


Falls auch Sie in einen ähnlichen Fall des „Alleinrennens“ nach § 315d Abs.1 Nr.3 StGB verwickelt wurden, ist es ratsam, einen Verkehrsrechtsexperten aufzusuchen, welcher aufgrund detaillierter Akteneinsicht einen Abgleich der Fälle vornehmen kann. Sollten grobe Übereinstimmungen bestehen, so könnte auch eine Aussetzung ihres Verfahrens bis zur erwartenden Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts möglich sein (KG, Beschl. v. 20.12.2019 – (3) 161 Ss 134/19 (75/19) und AG Villingen-Schwenningen, Beschl. V. 16.01.2020 – 6 Ds 66 Js 980/19.

Bild: AdobeStock Nr. 303113629

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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