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AutorenbildRA Sven Skana

Bußgeldbescheid & Standardisiertes Messverfahren – Überprüfung nicht notwendig für Verurteilung?


Der erste Senat für Bußgeldsachen des Thüringischen Oberlandesgerichts hat sich im Herbst 2020 erneut mit dem Thema des standardisierten Messverfahrens beschäftigen müssen, welches immer wieder für Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gerichten sowie der Literatur sorgt. Im vorliegenden Fall haben sich die Richter erneut dafür ausgesprochen, dass eine nachträgliche Überprüfbarkeit dieses standardisierten Messverfahrens nicht notwendig ist, um einen Schuldspruch zu erwirken.

Diesem wichtigen Urteil aus der Verkehrsrechtswelt liegt folgender Sachverhalt zugrunde:


Der Beschuldigte hatte im Januar 2019 die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb einer geschlossenen Ortschaft um 28 km/h überschritten. Im darauffolgenden Gerichtsverfahren wurde dieser durch das Amtsgericht Erfurt zu einer Geldbuße von 110 € verurteilt.

Gegen dieses Urteil folgte die Rechtsbeschwerde des Beschuldigte. In dieser wird die allgemeine Sachrüge erhoben und v.a. auf das Urteil vom Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes vom 05.07.2019 hingewiesen, welches die Auffassung vertritt, dass mit diesem bestimmten Blitzer-Gerät (Modell: S350 / Marke: TraffiStar) die gewonnenen Messdaten wegen des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbotes nicht in der gerichtlichen Sache verwendet werden können, falls die „Rohdaten“ des Gerätes nicht detailliert genug den Geschwindigkeitsverstoß reproduzieren könnten.


Die Richter des Thüringer Oberlandesgerichts gingen zwar auf den Urteilsverweis hinsichtlich des Verfassungsgerichtshofes des Saarlandes ein, betonten jedoch, dass es sich dort um einen spezifischen Einzelfall handelte, welcher über das Saarland hinaus keine Bindungswirkung über andere deutsche Gerichte entfaltet.

Das Oberlandesgericht schließt sich demnach meist einheitlich vertretenen Rechtsauffassungen der Oberlandesgerichte in Deutschland an, welche besagen, dass bei diesem „standardisiertem Messverfahren“ keine Verwertbarkeitshindernisse auftreten, lediglich, weil der Betroffene mit den herauszugebenden Rohmessdaten keine vollständige Reproduzierbarkeit der Messhandlung erreicht. Dadurch sei weder der Anspruch auf ein faires Verfahren noch der Anspruch auf effektive Verteidigung hinreichend berührt, um der Sachrüge gerecht zu werden. Diese Ansicht wird auch von zwölf weiteren Oberlandesgerichten vertreten und stellt damit wohl eine eindeutige Rechtspraxis dar.


Die Richter sahen die Rechtsbeschwerde zwar als zulässig an, jedoch wurde diese letztendlich als unbegründet verworfen. Das Urteil des Amtsgericht Erfurt über die Geldbuße von 110 € bleibt bestehen.

Oberlandesgericht Thüringen: Beschluss vom 23.09.2020 – 1 OLG 171 SsRs 195/19

Foto: AdobeStock Nr. 87413333

Diese Gerichtsentscheidung ist - mindestens - irritierend: Wer vorträgt, nicht so schnell gefahren zu sein und Meßfehler angibt, dem muss auch die Möglichkeit zur rechtlichen Prüfung gegeben werden! Im vorliegend besprochenen Fall ist gut zu erkennen, dass bei einem solch standardisiertem Messverfahren trotzdem noch nicht alle Ungereimtheiten aus der Welt geschafft wurden und ein paar wenige Gerichte ihre eigenen Ansichten vertreten. Sollten Sie einem solchen Messverfahren zum Opfer gefallen sein, so sollten Sie sich an einen Verkehrsrechtsexperten wenden, damit dieser ihnen durch eine detaillierte Akteneinsicht und gegebenfalls eine Kritik an dieser Messung eine ausgiebige Chance zur Reduzierung ihrer Sanktion gewährleisten kann.

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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