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AutorenbildRA Sven Skana

Höchstgeschwindigkeit – Messung durch Nachfahren mithilfe eines Privat-PKWs verwertbar?


Das Bayerische Oberlandesgericht musste sich im Juni 2020 mit einer Ordnungswidrigkeit auseinandersetzen, welche sich mit einer Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit beschäftigt. Demnach wurde eine Messung durch ein nachfahrendes Privatfahrzeug eines Polizeibeamten mithilfe eines Navigationsgerätes getätigt. Das Gericht wurde im Revisionsverfahren angerufen, ob denn ein solcher Beweis überhaupt tauglich ist, um den Ordnungswidrigkeitstatbestand zu erfüllen. Die Richter lehnten dies im Ergebnis ab, geben jedoch zu erkennen, dass bei ausreichender Urteilsbegründung in erster Instanz eine solche Maßnahme grundlegend anerkannt werden kann.

Genauer liegt dem Beschluss folgendes Geschehnis zugrunde:


Im März 2020 wurde der Betroffene durch einen Polizeibeamten, welcher sich nicht im Dienst befand, außerhalb einer geschlossenen Ortschaft gesehen, während er eine offensichtliche Geschwindigkeitsüberschreitung beging. Dem Zeugen war sofort klar, dass der Beschuldigte die zulässige Geschwindigkeit von 100 km/h erheblich überschreitet. Er beschloss, das Fahrzeug mit seinem Privat-PKW zu verfolgen.

Als er diesen aufgeholt hat, sei er mit gleichbleibender Geschwindigkeit hinter dem Betroffenen gefahren und habe über eine Strecke von ca. 500 Metern mit seinem On-Board-Navigationssystem des Privatautos eine Messung begonnen. Das Navi zeigte kurzfristig eine aktuelle Geschwindigkeit von 195 km/h an, während der Polizeibeamte außer Dienst den Betroffenen in einem Abstand von ca. 100 Metern verfolgte.


Durch eine Anzeige seitens des Polizeibeamten kam es zu einem Bußgeldbescheid, gegen welchen der Fahrzeugführer Einspruch einlegte und somit eine Verhandlung vor dem Amtsgericht datiert wurde. In diesem Termin stellte der Tatrichter fest, dass die genaue Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit durch den nicht geeichten Tacho nicht beweissicher nachgewiesen werden kann, dennoch rechnete der Richter mit einem Sicherheitsabschlag und kam zu dem Ergebnis, dass es wohl als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als gegeben angesehen werden kann, dass der Fahrzeugführer mindestens 41 km/h zu schnell war (55 km/h Toleranz). Gegen dieses Urteil wurde seitens des Verurteilten Rechtsmittel zum Bayerischen Oberlandesgericht eingelegt.


Dieses war letztendlich erfolgreich, dass Urteil des Amtsgerichts wurde aufgehoben. Zwar ist die Messungsmethode des Nachfahrens mit einem ungeeichten Tacho seitens der ständigen Rechtsprechung in spezifischen Einzelfällen als ausreichende Beweislage auszulegen, dennoch müssen dazu auch besondere Voraussetzungen erfüllt sein.

Da man hier von einem standardisierten Messverfahren abweicht, müssen maßgebliche Kriterien wie die Zuverlässigkeit des Tachometers, die Sichtverhältnisse, die genaue Nachfahrstrecke und ein gleichbleibender Abstand während der Messung detailliert beschrieben sein.


Im vorliegenden Fall mangelt es an ausreichenden Feststellungen des Tatgerichts und demnach auch an der dazugehörigen Beweiswürdigung der Umstände hinsichtlich der Geschwindigkeitsmessung. Im Urteil wurde lediglich erwähnt, dass der Zeuge durch sein Nachfahren eine Maximalgeschwindigkeit von bis zu 195 km/h beobachtet habe. Seitens Sichtverhältnissen, der genauen Nachfahrstrecke oder einer detaillierteren Angabe zum Abstand während der Messung wurden keine weiteren Ausführungen seitens des Richters getätigt. In obiger Situation wäre das Amtsgericht jedoch gehalten gewesen, Feststellungen jeglicher Art zu tätigen, beispielsweise auch die Überprüfung der Zulässigkeit des Navigationsgerätes im Hinblick auf die Geschwindigkeitsmessung, ggf. durch einen Sachverständigen.

Aufgrund mangelnder Erfüllung dieser Anforderungen haben die Richter des Bayerischen Oberlandesgerichts das Urteil des Amtsgerichts widerrufen.

BayObLG, Beschl. v. 18.06.2020 – 201 ObOWi 739/20

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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