Erweist sich ein Beschuldigter aufgrund einer rechtswidrigen Tat zum Führen von Kraftfahrzeugen als ungeeignet und wird er deshalb verurteilt oder aufgrund von Schuldunfähigkeit nicht verurteilt, so entzieht ihm das Gericht die Fahrerlaubnis, wenn die Tat bei oder in Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder wegen Verletzung einer Pflicht als Kraftfahrzeugführer begangen wurde, § 69 Abs. 1 StGB. Nach § 111a Abs. 1 S. 1 StPO ist aber auch eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis möglich, wenn dringende Gründe zu der Annahme führen, dass die Entziehung mit einem späteren Urteil erfolgen wird.
Das LG Itzehoe hat sich im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens mit der Regelvermutung der vorläufigen Entziehung beschäftigt. Dem Beschuldigten des Verfahrens wurde Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort gem. § 142 StGB vorgeworfen. Daraufhin hatte das AG Itzehoe ihm mit Beschluss vom 18.04.2023 die Fahrerlaubnis gem. §§ 111a StPO, 69 StGB vorläufig entzogen. Es sah die Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis als erfüllt an. Der Beschuldigte wandte sich daraufhin mittels Rechtsbeschwerde an das AG Itzehoe, welches die Sache an das LG zur Entscheidung weiterleitete.
Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis
Anders als das AG Itzehoe verneinte das LG Itzehoe das Vorliegen der Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis des Beschuldigten.
Damit § 111a Abs. 1 S. 1 StPO zur Anwendung kommt, müssen dringende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass die Fahrerlaubnis mit einem späteren Urteil entzogen werden wird. Es muss zu einem hohen Grad wahrscheinlich sein, dass das Tatgericht den Beschuldigten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ansehen wird.
Widerlegung der Regelvermutung
Die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB sah das LG Itzehoe zwar als erfüllt an. Jedoch sei die Regelvermutung aufgrund der bestehenden Umstände des vorliegenden Einzelfalls derzeit als widerlegt anzusehen.
Eine Widerlegung der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist dann gegeben, wenn besondere Umstände vorliegen, welche die Vermutung der fehlenden Eignung entkräften, weil sie die Tat als weniger schwerwiegend erscheinen lassen als den Regelfall. Dies ist dann der Fall, wenn die Tat wegen besonderer Umstände in der Person des Täters nicht seiner Persönlichkeit entspricht, eine Ausnahmesituation zum Tatzeitpunkt vorlag und eine Tatwiederholung im Ergebnis einer Gesamtwürdigung nicht zu erwarten ist.
Der Beschuldigte brachte am Tattag für ein großes Lebensmittelunternehmen Lieferungen aus und hatte sich lediglich deshalb unerlaubt vom Unfallort entfernt, weil er mit seiner Lieferung bereits 1,5 Stunden in Verzug geraten war und der Kunde ihn wissen ließ, demnächst das Haus verlassen zu wollen. Das LG Itzehoe sah die Tat auf die Einlassung des Beschuldigten hin als ein, in der Drucksituation aufgetretenes, Augenblicksversagen an. Es rechnete dabei nicht mit einer Wiederholung der Tat und stellte eine deutliche Abweichung der vorliegenden Tat vom Regelfall des § 142 Abs 1 StGB fest. Dem Beschuldigten wurde die Bereitschaft, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen, nicht zugemutet. Da eine Ungeeignetheit des Beschuldigten zum Fahren von Kraftfahrzeugen laut LG derzeit nicht ersichtlich war, wurde der Beschluss des AG Itzehoe aufgehoben und die vorläufig entzogene Fahrerlaubnis war an den Beschuldigten herauszugeben.
AZ.: LG Itzehoe, Beschl. v. 11.07.2023 – 14 Qs 86/23
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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