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AutorenbildRA Sven Skana

BGH: Die „Wittenberger Sau“ – eine antisemitische Schmähplastik darf bleiben

Der Bundesgerichtshof hat im Juni 2022 ein Urteil erlassen, welches sich mit der sogenannten „Wittenberger Sau“, einer künstlerischen Schmähplastik aus Sandsteinrelief an der Wittenberger Stadtkirche auseinandersetzt. Der VI. Zivilsenat, welcher am obersten Bundesgericht unter anderem über Entscheidungen bezüglich der Verletzung von allgemeinen Persönlichkeitsrechten richtet, hat das antisemitische Denkmal aus dem Jahr 1290 so eingeordnet, dass es in seiner jetzigen Form nicht entfernt werden muss und gegenüber der jüdischen Bevölkerungsgruppe keinen schwerwiegenden Eingriff darstellt.


Der Fall beruht auf folgendem Sachverhalt:

Als Beklagte tritt hier die Kirchengemeinde Wittenberg auf, welche als Eigentümerin der Stadtkirche gelistet ist. An deren Außenfassade befindet sich ein Sandsteinrelief, welches ein Schwein zeigt. Es ist zu erkennen, dass an den Zitzen des Tieres zwei Menschen saugen, welche mit besonderen Spitzhüten als Juden zu identifizieren sind.

Nach wiederholten Sanierungen seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts wurde das Kunstwerk 1988 vom Gemeindekirchenrat erneuert. Dabei wurde in unmittelbarer Nähe ein Schrägaufsteller installiert, welcher mit der Überschrift „Mahnmal an der Stadtkirche Wittenberg“ gekennzeichnet wurde.

Der Aufsteller zeigt einen informativen Text über den sozialen Umgang mit den Juden seit Entstehung dieses Denkmales.


Gegen dieses Erscheinungsbild wehrt sich der Kläger, welcher Mitglied der jüdischen Gemeinde in Deutschland ist. Mit seiner Klage verlangt er von der Beklagten in erster Linie die Entfernung des Sandsteinreliefs; für den Fall, dass der Beklagten dies aus Denkmalschutzgründen nicht möglich sein sollte, begehrt er hilfsweise die Feststellung, dass das Relief den objektiven und subjektiven Tatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB erfülle.

Das Landgericht lehnte sein Begehren ab, ebenso das Oberlandesgericht. Letztendlich scheitert er auch vor dem Bundesgerichtshof, da es laut den Richtern an einer erforderlichen gegenwärtigen Rechtsverletzung mangelt, welche einen solchen Anspruch auf Entfernung in diesem Maße erst entstehen lässt.


Schrägaufsteller mit Informationsgehalt hat den rechtsverletzenden Zustand beseitigt

Die Richter analysierten das Werk und gehen objektiv von stark antisemitischen Zügen aus, welche in der Regel eine solche Persönlichkeitsverletzung mit sich bringen, dass eine Entfernung geboten ist. Durch die Renovierung im Jahre 1988 wurde eine nicht zu übersehende in Bronze gegossene Bodenplatte mit einem Schrägaufsteller installiert, welcher das Kunstwerk als das Mahnmal der Stadtkirche Wittenberg deklariert. In Verbindung mit den zur Verfügung stehenden Informationen über den gesellschaftlichen Umgang mit der jüdischen Bevölkerungsgruppe handelt es sich hier nicht mehr um ein „Schandmal“, sondern um ein Mahnmal zum Zwecke des Gedankens und der Erinnerung an die Diskriminierung der Juden.


Durch diesen Umstand liegt keine ausreichende Persönlichkeitsverletzung gegenüber dem Kläger vor, welches einen Anspruch auf Entfernung des Mahnmals mit sich bringen würde. Die „Wittenberger Sau“ darf demnach bleiben.




Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.06.2022 - VI ZR 172/20 –



Foto: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt



Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.


Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht



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