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Sekundenschlaf beim Autofahren - grobe Fahrlässigkeit bei ignorieren von Übermüdunganzeichen

Aktualisiert: 30. Sept. 2020

Die Richter des Oberlandesgerichts Celle mussten sich in ihrem brandneuen Urteil vom 01.07.2020 über den Verschuldensgrad eines Fahrzeugführers entscheiden, welcher sich bewusst über Übermüdungserscheinungen hinweggesetzt und dadurch einen Sekundenschlaf herbeigeführt hat.


Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Beklagte fuhr in einer Nacht im März 2016 auf einer niedersächsischen Bundesstraße. Aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse und der Nebelschwaden kam dieser mit einer Geschwindigkeit von ca. 75 km/h von der gerade verlaufenden Fahrbahn ab und ist ohne Ausweich – oder Bremsmanöver in den Gegenverkehr geraten. Dort kam es zu einer Kollision mit einem entgegenkommenden Sattelschlepper.

Letztendlich wurde die Sache aufgrund der Versicherungsverhältnisse vor Gericht ausgetragen. Fraglich ist, ob der beklagte Versicherungsnehmer ein grob fahrlässiges Verhalten an den Tag legte, welches eine eventuelle Kürzung der Versicherungsleistung mit sich bringen würde.


Aus strafrechtlicher Sicht wurde der beklagte Versicherungsnehmer von einem Amtsgericht rechtskräftig wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen verurteilt, das Urteil enthalte jedoch keinerlei Erklärung zum Grad/Ausmaß der Fahrlässigkeit. Unstreitige Feststellungen belegen aber, dass der Sattelzugführer den Unfall unstreitig nicht hätte vermeiden können.

Die gegnerische Versicherung wirft dem beklagten Fahrzeugführer vor, dass dieser grob fahrlässig gehandelt habe, weil er bei einer Sichtweite von ca. 20 m mit einer unangemessenen, erhöhten und nicht den Umständen angepassten Geschwindigkeit unterwegs war, vgl. § 3 StVO. Zudem solle er dabei wahrscheinlich in einen Sekundenschlaf gefallen sein, wobei er vorherige Anzeichen für seine Übermüdung ignoriert haben soll.


Das Landgericht hat die Klage der Versicherung abgewiesen. Dies führte dann zu einer Berufung am Oberlandesgericht, welche ebenfalls keinen Erfolg hatte. Die Richter des OLG begründeten den Verschuldensvorwurf in Verbindung mit einem Sekundenschlaf wie folgt:

Ein solcher Sekundenschlafvorwurf muss seitens der Klägerin bewiesen werden. Im vorliegenden Fall haben die Angaben des Sattelschlepperfahrers zwar die Möglichkeit eingeräumt, dass sich der auf die Gegenfahrbahn gekommene Beklagte in einem Sekundenschlaf befand, die einzig denkbare und mögliche Unfallkonstellation stellt dies jedoch nicht dar.

Würde man einen solchen Sekundenschlaf jedoch annähmen, so führt dies nicht ohne Weiteres zur Bejahung einer groben Fahrlässigkeit. Nach der ärztlichen Wissenschaft bestehe der Erfahrungssatz, dass ein Kraftfahrer, bevor er am Steuer des Fahrzeuges während der Fahrt einschläft, zuvor stets deutliche Zeichen der Ermüdung an sich wahrnahm oder wenigstens wahrnehmen konnte, denn ein gesunder und bislang hellwacher Mensch kann nach fundierten Erkenntnissen nicht plötzlich von einer Müdigkeit überfallen werden (BGH, Beschluss vom 18. November 1969 – 4 StR 66/69).

Demnach könne ein solches Verhalten erst dann als grob fahrlässig gewertet werden, wenn sich der Fahrer in subjektiver Hinsicht bewusst über von ihm erkannten Anzeichen einer Übermüdung hinweggesetzt hat. Diese subjektive Komponente müsse positiv festgestellt werden.


Ein Sekundenschlaf kann „einfach fahrlässig“ nicht vorhergesehen werden. Solche objektiv vorhandenen Übermüdungserscheinungen, welche subjektiv von der Person selbst jedoch noch nicht wahrgenommen wurden, stellen einen Grund für das Verschulden i.S.d „einfachen Fahrlässigkeit“ dar.


Im vorliegenden Fall konnte aufgrund der vorhandenen Feststellungen nicht geklärt werden, ob der Beklagte objektive Übermüdungsanzeichen ignoriert oder sich bewusst darüber hinweggesetzt hat. Demnach kann eine grobe Fahrlässigkeit aus dem Sachverhalt nicht konstruiert werden, weshalb das Oberlandesgericht die Klage erneut abwies.

OLG Celle, Urt. v. 01.07.2020 – 14 U 8/20

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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