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Verkehrsordnungswidrigkeit und dichtes Auffahren: Entscheidung des Kammergerichts wirft Fragen auf

Die Welt des Verkehrsrechts ist vielfältig und hält immer wieder Überraschungen bereit. Ein besonders interessanter Fall wurde vor Kurzem vor dem Kammergericht Berlin verhandelt. Dabei ging es nicht nur um eine Geschwindigkeitsübertretung, sondern auch um die Frage, ob dichtes Auffahren eine solche Überschreitung rechtfertigen oder entschuldigen kann. Das Urteil des Kammergerichts vom 2. August 2023 - 3 ORbs 158/23 – 122 Ss 71/23 gibt Einblick in die rechtlichen Besonderheiten und wirft wichtige Fragen auf.


Der Fall begann mit einem Bußgeldbescheid der Polizei Berlin. Dem Betroffenen wurde vorgeworfen, innerorts die Geschwindigkeitsbegrenzung um 38 km/h überschritten zu haben, was eine Geldbuße von 260 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot zur Folge hatte. Doch das Amtsgericht Tiergarten kam zu einer anderen Einschätzung. Es sah eine Geschwindigkeitsüberschreitung von lediglich 25 km/h als erwiesen an und verurteilte den Betroffenen zu einer Geldbuße von 100 Euro, ohne ein Fahrverbot zu verhängen.


Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts war jedoch unzureichend und widersprüchlich. Es fehlten klare Angaben zur Geschwindigkeitsmessung und dem verwendeten Messverfahren. Insbesondere blieb unklar, wie das Amtsgericht zu dem festgestellten Wert von 25 km/h kam, wenn es in der Beweiswürdigung davon sprach, der Betroffene habe von einer Geschwindigkeit von 75 km/h noch "weiter beschleunigt." Dieser Widerspruch warf erhebliche Zweifel an der Beweisführung auf.


Dichtes Auffahren führt nicht zur Rechtfertigung von Geschwindigkeitsüberschreitungen

Das Kammergericht Berlin sah dies genauso und hob das Urteil des Amtsgerichts auf. Es betonte, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 38 km/h keineswegs durch das dichte Auffahren des Polizeifahrzeugs gerechtfertigt oder entschuldigt werden kann. Eine Geschwindigkeitsüberschreitung um diesen Wert stellt in der Regel Vorsatz dar, es sei denn, es gibt besondere Umstände, die eine abweichende Wertung rechtfertigen.


Besonders bemerkenswert war die informatorische Mitteilung des Kammergerichts, dass offenbar ein standardisiertes Messverfahren angewendet wurde, welches eine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung ergab. Dies wirft die Frage auf, ob solch eine Überschreitung nicht grundsätzlich als Vorsatz zu werten ist, unabhängig von den Umständen.


Insgesamt verdeutlicht dieser Fall die Bedeutung einer präzisen Beweisführung und einer klaren Darstellung der Umstände in Bußgeldverfahren. Er zeigt auch, dass dichtes Auffahren keine Entschuldigung für Geschwindigkeitsüberschreitungen darstellt und die rechtlichen Konsequenzen solcher Verstöße in jedem Fall sorgfältig geprüft werden müssen. Dieses Urteil erinnert uns daran, dass das Verkehrsrecht komplex sein kann und dass eine genaue Analyse der Fakten und Beweise unerlässlich ist, um faire Urteile zu gewährleisten.


Az.: KG, Beschl. v. 02.08.2023 - 3 ORbs 158/23 – 122 Ss 71/23


Hinweis:


Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht


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