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Überholmanöver: Das Überholen einer Fahrzeugkolonne von bis zu 10 Fahrzeugen ist zulässig

Das Oberlandesgericht Celle hat in einem Urteil aus dem Juni 2022 erklärt, dass ein Überholmanöver entlang einer Fahrzeugkolonne von bis zu 10 Fahrzeugen noch als zulässig zu erachten ist, wenn keine unklare Verkehrslage nach § 5 Abs. 3 StVO besteht. Jedoch besteht für den Überholenden eine erhöhte Sorgfaltspflicht während des Vorgangs.

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Mai 2014 kam es in Niedersachsen auf einer Bundesstraße zu einem Verkehrsunfall. Grund dafür war das Überholmanöver eines Motorradfahrers, welcher eine Fahrzeugkolonne von 9-10 PKWs überholte. Als einer der PKWs nach links abbog, kam es zu einem seitlichen Zusammenstoß mit dem Motorradfahrer. Das erstinstanzliche Landgericht Verden hat den Fahrzeugführer und seine Haftpflichtversicherung zu einer hälftigen Zahlung auf Schadensersatz verurteilt. Der PKW-Fahrer muss 50 % der Kosten tragen, da das Ausscheren aus der Fahrzeugkolonne eine Verletzung nach § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO darstellte.

Der Motorradfahrer wurde dazu verurteilt, die restlichen 50 % der Kosten selbst zu tragen. Laut Gericht sei diese Quote gerechtfertigt, da der Mopedfahrer während dem Vorliegen einer unklaren Verkehrslage überholt hat. Nach Ansicht der Richter hätte dieser bei einer solch langen Fahrzeugkolonne nicht zu einem einmaligen Überholmanöver hätte ansetzen dürfen. Gegen diese Entscheidung wandte sich der Motorradfahrer mit einer Berufung zum Oberlandesgericht Celle.


Das Überholen einer Fahrzeugkolonne mit bis zu 10 Fahrzeugen ist zulässig

Die Richter entschieden zugunsten des Zweiradfahrers. Das Überholen einer Fahrzeugkolonne von bis zu 10 Fahrzeugen sei zulässig, wenn eine „unklare Verkehrslage“ ausgeschlossen werden kann. Diese bestimmt sich immer nach dem Einzelfall.

Wenn man jedoch anhand des obigen Beispielsfalles verfährt, so liegt keine „unklare Verkehrslage“ vor, wenn nicht ersichtlich ist, dass der PKW-Fahrer plötzlich aus der Fahrzeugkolonne ausscheren möchte.

Jedoch gehen die Richter des OLG Celle sogar einen Schritt weiter und erklären folglich, dass ein Überholvorgang sogar dann nicht abgebrochen werden muss, wenn während des Vorganges eine „unklare Verkehrslage“ erkennbar wird. Nach den allgemeinen Lebensumständen sei der Abbruch eines Überholvorganges in bestimmten Fällen sogar gefährlicher einzustufen als dessen Fortsetzung. Wer ordnungsgemäß zum Überholen ansetzt, dürfe nach Auffassung des Oberlandesgerichts darauf vertrauen, dass sich kein vorausfahrender Fahrzeugführer verkehrswidrig verhält und vorschriftwidrig ausschert. Ihm stehe der Vorrang gegenüber den Vorausfahrenden zu.


Mithaftung erst dann rechtens, wenn ein Verstoß gegen die erhöhte Sorgfaltspflicht vorliegt

Durch die erhöhte Geschwindigkeit eines Überholvorganges trifft den Überholenden jedoch eine erhöhte Sorgfaltspflicht, da er eine größere Gefahr für die Verkehrsgemeinschaft darstellt. Da der Motorradfahrer während seines Überholvorganges nicht abbremste, obwohl für ihn zu diesem Zeitpunkt bereits ersichtlich war, dass ein Fahrzeug aus der Kolonne ausschert, ist ihm ein Verstoß gegen diese erhöhte Sorgfaltspflicht zuzuschreiben. Die Richter des OLG Celle sprachen sich hier für einen Mithaftungsanteil von 25% aus.


Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 08.06.2022 - 14 U 118/21 –

AdobeStockFoto-Nr.: 469051194


Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht




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