Ein jüngstes Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (VG Berlin) vom 17. Juli 2023 unter dem Aktenzeichen VG 11 L 184/23 beleuchtet die Konsequenzen von Fahrten unter dem Einfluss von Cannabis mit E-Scootern und verdeutlicht die Ernsthaftigkeit der Anforderungen an Fahrerlaubnisinhaber. Wer unter Cannabiseinfluss im öffentlichen Straßenverkehr mit einem E-Scooter unterwegs ist, riskiert nicht nur Bußgelder, sondern auch den Entzug seiner Fahrerlaubnis.
Fahreignung in Frage gestellt
In dem vorliegenden Fall wurde einem Betroffenen vom Straßenverkehrsamt die Anordnung erteilt, innerhalb von drei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen, um seine Fahreignung nachzuweisen. Der Hintergrund hierfür war eine Fahrt mit einem E-Scooter, bei der der Fahrer aufgrund auffälligen Verhaltens angehalten und eine Blutprobe entnommen wurde. Diese Probe ergab einen THC-Wert von 4,4 ng/ml. Noch alarmierender waren die Aussagen des Fahrers gegenüber den anhaltenden Polizisten, in denen er angab, täglich Cannabis zu konsumieren und täglich Auto zu fahren. Obwohl er später betonte, dass dies nicht ernst gemeint war, reagierte er nicht auf die Anforderung des Gutachtens. Als Reaktion darauf wurde ihm umgehend die Fahrerlaubnis entzogen. Ein Eilantrag gegen diesen Entzug war nicht erfolgreich.
Rechtliche Grundlagen des Gutachtens
Das Gericht bestätigte die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens. Diese Anordnung basiert auf § 46 Abs. 3 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 3 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Die Grundlage für diese Anordnung liegt in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten, der erstmals unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug führt, die Fahrerlaubnisbehörde normalerweise nicht ohne weitere Untersuchungen die Fahreignung in Frage stellen darf.
Die entscheidende Voraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis in solchen Fällen ist die Prognose, dass der Betroffene auch in Zukunft nicht zwischen dem Konsum von Cannabis und dem Führen eines Kraftfahrzeugs unterscheiden wird. Um diese Prognose ausreichend abzusichern, ist in der Regel ein medizinisch-psychologisches Gutachten erforderlich. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Anforderung eines solchen Gutachtens angeordnet werden, wenn gelegentlicher Cannabiskonsum vorliegt und zusätzliche Tatsachen Zweifel an der Fahreignung aufwerfen.
Einmaliger Verstoß führt zu ernsten Konsequenzen
Im vorliegenden Fall wurde festgestellt, dass der Betroffene ein gelegentlicher Konsument von Cannabis war. Das VG Berlin stellte fest, dass gelegentlicher Konsum vorliegt, wenn die Person in mindestens zwei unabhängigen Konsumvorgängen Cannabis konsumiert hat und diese Vorgänge einen zeitlichen Zusammenhang aufweisen. In diesem Fall legten die eigenen Aussagen des Antragstellers nahe, dass ein solcher gelegentlicher Konsum vorlag. Die Feststellungen der Polizei und die Aussagen des Antragstellers sprachen sogar dafür, dass er täglich Cannabis konsumierte.
Zusätzlich stellte das Gericht fest, dass selbst ein einmaliger Verstoß gegen das Trennungsgebot, das den Konsum von Cannabis und das Führen eines Fahrzeugs trennt, Zweifel an der Fahreignung begründet. Dies betrifft auch die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Elektrokleinstfahrzeug wie einem E-Scooter. Diese Fahrzeuge gelten trotz ihrer führerscheinfreien Nutzung rechtlich als Kraftfahrzeuge, wenn sie die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Daher ist auch bei ihrer Nutzung das Trennungsgebot zu beachten.
Das Urteil des VG Berlin unterstreicht, dass die Grenze des hinnehmbaren Cannabiskonsums nicht erst dann überschritten ist, wenn nachweislich eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit vorliegt. Bereits die Möglichkeit einer durch Cannabis bedingten Beeinträchtigung kann Konsequenzen für die Fahreignung haben. Es wird von den Behörden angenommen, dass schon ab einem THC-Wert von 1,0 ng/ml im Blutserum die Fahrtüchtigkeit verloren geht. In diesem Fall wurde ein Wert von 4,4 ng/ml festgestellt, was die bereits bestehenden Bedenken hinsichtlich der Fahreignung verstärkte.
Auch kein Konsum vor Fahrt mit E-Roller
Das Urteil des VG Berlin macht deutlich, dass der Konsum von Cannabis und die Teilnahme am Straßenverkehr eine gefährliche Kombination darstellen. Dies gilt insbesondere auch für die Nutzung von E-Scootern und ähnlichen Elektrokleinstfahrzeugen, welche noch von einer Vielzahl als „Schlupfloch“ bei Fahrten in Konsummustern betitelt wird, die Gerichte dieser Problematik jedoch weitgehend einen Riegel vorgeschoben haben.
Az.: VG Berlin, Beschl. v. 17.07.2023 - VG 11 L 184/23
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.
Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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