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Medikamentöse Zwangsbehandlung – In vorläufiger Unterbringung nur mit Pflichtverteidiger möglich

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat zu Beginn des Jahres 2023 einen Beschluss veröffentlicht, welcher sich mit der medikamentösen Zwangsbehandlung eines Angeklagten beschäftigt, welcher innerhalb einer vorläufigen Unterbringung ohne die Hinzuziehung seines Pflichtverteidigers mit Medikamenten behandelt wurde. Das OLG hebt den Beschluss des vorinstanzlich zuständigen Landgerichtes auf, da mehrere schwerwiegende Verfahrensfehler ersichtlich wurden.


Der Beschluss fußt auf folgendem Sachverhalt:

Die Angeklagte steht im Zusammenhang mit versuchter räuberischer Erpressung und mehreren Brandstiftungen unter Anklage. Das Strafverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Aufgrund einer Psychose und möglicher Einschränkung ihrer Steuerfähigkeit ist sie vorläufig in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Im Oktober wurde auf Antrag der Klinik von der zuständigen Regierungsbehörde die Zwangsbehandlung mit Antipsychotika genehmigt. Nach der ersten Behandlung zeigte die Beschwerdeführerin eine Verbesserung ihrer Denkfähigkeiten und ihres Verhaltens. Ende Oktober legte sie selbst Widerspruch gegen die Zwangsbehandlung ein, aber das Landgericht wies den Antrag ohne mündliche Anhörung und ohne Beteiligung ihres Pflichtverteidigers zurück.


Pflichtverteidiger hätte in Entscheidung eingebunden werden müssen

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss, die Zwangsbehandlung fortzusetzen, hatte Erfolg: das OLG hob den Beschluss aufgrund mehrerer schwerwiegender Verfahrensmängel auf. Das OLG bemerkte, dass eine gegen den natürlichen Willen eines Betroffenen vorgenommene Zwangsbehandlung einen besonders schwerwiegenden Eingriff in seine Grundrechte darstelle, insbesondere in seine körperliche Unversehrtheit und sein Selbstbestimmungsrecht. Daher müssen bei solchen Eingriffen hohe Anforderungen an den effektiven Rechtsschutz des Betroffenen gestellt werden. In diesem Fall hätte daher der bereits im Strafverfahren bestellte Pflichtverteidiger beteiligt werden müssen und das Gericht hätte sicherstellen müssen, dass die Beschwerdeführerin ihre Rechte sachgerecht wahrnehmen kann.

Zudem hätte das Gericht eine bestmögliche Sachverhaltsaufklärung anstreben müssen, beispielsweise durch eine Anhörung der Beschwerdeführerin und/oder durch die Einschaltung eines externen forensischen Sachverständigen.


Strengere Voraussetzungen in einstweiligen Unterbringungen

Der Senat fordert hohe Anforderungen bei Zwangsbehandlungen in einer einstweiligen Unterbringung vor dem Strafkammerurteil. Diese dürfen nur unter bestimmten Umständen stattfinden, wenn eine Verzögerung die Wirksamkeit einer späteren Behandlung gefährdet. Eine bloße Andeutung einer chronischen psychiatrischen Erkrankung reicht nicht aus. Das OLG hob den Beschluss wegen mangelnder Beteiligung eines Verteidigers und unzureichender Sachaufklärung auf und verwies das Verfahren zur raschen Anhörung mit einem Sachverständigen an die Strafkammer. Die Entscheidung ist endgültig.


Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 03.01.2023 - 3 Ws 488/22 –

AdobeStock Foto-Nr.: 274131656


Hinweis:


Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht



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