Dieses Urteil ist ein Klassiker des Verkehrsstrafrechts und wurde vom Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden, besitzt jedoch in der heutigen Gesellschaft immer noch Aktualität. In diesem Urteil stellten die Richter fest, dass das so oft im Straßenverkehr benutzte Zeichen des „Vogelzeigens“, nämlich das Tippen auf die eigene Stirn, um einem anderen Verkehrsteilnehmer einen offensichtlichen Fahrfehler anzuzeigen, eine Beleidigung nach § 185 StGB darstellen kann und demnach einen Straftatbestand erfüllt, welcher meist mit einer Geldbuße geahndet wird.
Das Urteil entstand aus dem folgenden, simplen Sachverhalt:
Auf den Straßen von Düsseldorf wurde ein Verkehrsteilnehmer angehupt, weil dieser ein vermeintliches Grünlicht einer Ampelschaltanzeige übersah und nicht losfuhr. Über diese Handlung war der an der Ampel stehende Verkehrsteilnehmer derart erbost, dass er sich in Richtung des anderen Verkehrsteilnehmers wandte und sich dabei auf die Stirn tippte, um seine Handlung des Hupens mit Verachtung zu bestrafen.
Das erstinstanzliche Amtsgericht bejahte hier eine Beleidigung nach § 185 StGB und argumentierte mit dem gezielten Ausdruck der Missachtung seitens des „vogel-zeigenden“ Fahrers. Nach einer Berufung zum Oberlandesgericht Düsseldorf kamen auch diese Richter zu einem nicht abweichenden Ergebnis. Seitens der Feststellungen des Gerichts habe der Autofahrer klar und deutlich zum Ausdruck bringen wollen, dass er den anderen Verkehrsteilnehmer für „nicht normal“ halte. Hier ist zu differenzieren, dass es dem Fahrzeugführer an der Ampel gerade nicht darum geht, eine explizite Handlung, wie im obigen Fall das Betätigen der Hupe, zu kritisieren. Es ginge ihm primär darum, dem anderen Autofahrer zu vermitteln, dass dies kein normales Verhalten im Straßenverkehr darstelle und dieser eher ein dauerhaftes menschliches Fehlverhalten an den Tag legen müsste, um solch eine Situation im Straßenverkehr mit provokativem Hupen lösen zu wollen.
Die Richter betonten zudem, dass ein einfaches „Tippen an die Stirn“ nicht zwingend ausreicht, um eine Ehrverletzung, wie Sie für die Erfüllung eines Beleidigungstatbestandes notwendig ist, zu bejahen. Daher müsse das Urteil explizit auf den Einzelfall bezogen werden. Hier sind vorwiegend das Alter, der Bildungsgrad sowie die soziale Stellung des Täters zu berücksichtigen. Weiterhin komme es auf die Beziehung zwischen den beiden Beteiligten sowie deren Verhältnis innerhalb der sozialen Ordnung an. Letztendlich müssen auch Ortsüblichkeiten und spezielle regionale Ausdrucksweisen berücksichtigt werden.
Im obigen Fall handelte es sich jedoch um zwei erwachsene Männer, welche sich gegenseitig völlig fremd waren und sich zuvor noch nie wissentlich begegnet sind. Demnach sei das „Vogel - Zeigen“ im Straßenverkehr bei Bejahung der Fremdheit und keiner besonders akuten Situation als Ausdruck der Missachtung zu werten und stellt demnach eine Ehrverletzung dar.
Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 02.03.1960 - (2) Ss 934/59 (1047) –
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Bei der Wiedergabe des Urteils ist ersichtlich, dass im Jahre 1960 noch andere Werte und Sitten der gesellschaftlichen Ordnung im Sinne der Abwägung von Beleidigungstatbeständen genutzt wurden. Dennoch ist eine solche Ehrverletzung auch in der heutigen Zeit noch möglich, falls zwei völlig unbekannte Menschen in einer brenzligen Situation im Straßenverkehr aufeinandertreffen.
Sollte sich eine solche Strafanzeige gegen Sie richten, ist es notwendig, durch eine detaillierte Akteneinsicht seitens eines Strafrechtsexperten alle gesammelten Informationen über die Situation auszuwerten und zu ihrer Verteidigung einzusetzen.
Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.
Sven Skana
Fachanwalt für Strafrecht
Anwalt für Strafrecht
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