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Qualifizierter Rotlichtverstoß: kein Fahrverbot mangels „abstrakter Gefahr“ im Querverkehr?


Sachverhalt: Der Betroffene fuhr über die Haltelinie in den Kreuzungsbereich ein, als die Ampel bereits seit 1,1 Sekunden rotes Licht zeigte. Das Amtsgericht verurteilte den Betroffenen daher wegen eines sog. „qualifizierten Rotlichtverstoßes“ zu einer Geldbuße von 250,- € und zu einem einmonatigem Fahrverbot.

Dagegen legte der Betroffene Rechtsmittel ein, in der er die Verletzung von Verfahrensrecht zur Geltung brachte. Der Einzelrichter am Kammergericht übertrug die Angelegenheit daraufhin dem Senat zur Fortbildung des Rechts, der mit drei Richtern in der Besetzung entschied.

Der Senat verwarf die Beschwerde als unbegründet und gab die bisherige Rechtsprechung auf, wonach die von Nr. 132.3 BKat geforderte „abstrakte Gefährlichkeit" fehle, wenn die Kreuzung im Zeitpunkt des Rotlichtverstoßes für Querverkehr gesperrt sei.

Das Amtsgericht habe rechtsfehlerfrei abgelehnt, Beweis darüber zu erheben, dass der Querverkehr nicht gefährdet werden könne, da der Betroffene den Kreuzungsbereich bei Eintritt der für den Querverkehr geltenden Grünphase verlassen habe. Der Senat habe zwar wiederholt entschieden, dass von einer Fahrverbotsverhängung abgesehen werden könne, wenn der Rotlichtverstoß mit keiner abstrakten Gefaht verbunden sei. Insbesondere wurde in verschiedenen Konstellationen eine abstrakte Gefährdung abgelehnt, wenn andere Verkehrsteilnehmer nicht in den geschützen Kreuzungsbereich eindringen durften, weil die Gegenverkehrsspuren und Fußgängerfurten gesperrt waren.

Der Senat hatte bis dahin darauf abgestellt, dass es der Anwendung einer greifbaren „abstrakten Gefährlichkeit“ bedürfe. An dieser Rechtsprechung hielt er jedoch nicht mehr fest. Aus Rechtsgründen verbiete es sich, unter dem Gesichtspunkt, ein Rotlicht sei nicht „abstrakt gefährlich“, vom Fahrverbot abzusehen. Eine Beweisaufnahme wurde nicht veranlasst, weshalb der Beweisantrag rechtsfehlerfrei abgelehnt wurde.

Der Verordnungsgeber hatte die Missachtung einer bereits einer Sekunde lang rot leuchtenden Ampel als abstrakt so gefährlich angesehen, dass er ihr die Regelahndung mittels Fahrverbots zugewiesen hatte.

Es wäre unzulässig, diese Rechtssetzung dadurch zu untergraben, dass es dem Tatrichter möglich gemacht wird, die Tat trotz Tatbestandserfüllung danach zu würdigen, ob sie abstrakt gefährlich sei. Bei dem Begriff„abstrakte Gefahr" handele es sich um einen Terminus der Rechtssetzung und nicht um einen der Rechtsanwendung. Es obliege daher dem Gesetzgeber, bestimmte Verhaltensweisen unabhängig von dem Eintritt einer konkreten Gefahr unter Strafe zu stellen.

Es verbiete sich, allein unter dem Gesichtspunkt, ein Rotlichtverstoß sei nicht „abstrakt gefährlich“ vom indizierten Fahrverbot abzusehen.


Versuche den Anwendungsbereich von Nr. 132.3 BKat mit dem Erfordernis einer konkret bestimmbaren „abstrakten Gefährlichkeit“ zu reduzieren, seien systematisch unzulässig weil sie in die Kompetenz des Gesetzgebers, abstrakte Gefährdungsdelikte zu kodifizieren, eingreifen würden.

Der Senat hatte daher seine bisherige Rechtsprechung überdacht, im Falle eines qualifizierten Rotlichtverstoßes eine abstrakte Gefährdung zu unterstellen.

Dies würde auch nicht das Ermessen des Tatrichters tangieren. Diesem obliege es weiterhin im Rahmen der Gesamtwürdigung zu bestimmen, ob das Tatbild, bei dem das Gefährdungsmaß als Erfolgsunrecht ein wichtiger Bestandteil sei, vom Durchschnitt in solchem Maß abweicht, dass das als Fahrverbot unangemessen anzusehen wäre.

Wenn jedoch eine konkrete Gefährdung ausgeschlossen werden könne, gäbe dies Anlass dazu, das Regelfahrverbot auf seine Erforderlichkeit hin zu prüfen und ggf. entfallen zu lassen.


Unzulässig wäre es jedoch, allein aus dem Umstand, dass auch der Querverkehr zum Zeitpunkt des Verstoßes noch wartepflichtig gewesen sei, die abstrakte Gefährlichkeit der Tat in Frage zu stellen und vollkommen von einem Fahrverbot abzusehen.

KG Berlin, Beschluss vom 14.04.2020 – 122 Ss 18/20

Foto: AdobeStock Nr. 336520786

Hinweis:

Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gerne im Voraus zu allen anfallenden Kosten.

Sven Skana

Fachanwalt Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht

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