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  • AutorenbildSimon Eberherr

Unzulässigkeit der Fahrtenbuchauflage, oder: Was die Behörde zur Fahrerfeststellung alles tun muss

Heute beschäftigen wir uns mit einer aktuellen verwaltungsrechtlichen Entscheidung des OVG Münster vom 31.05.2023 mit dem Thema der verkehrsrechtlich relevanten Fahrtenbuchauflage. In dem Urteil ging es um eine Geschwindigkeitsüberschreitung, bei der die Behörde zur Fahrerfeststellung nicht ausreichend ermittelt hatte.


Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 25.12.2021 um 2.15 Uhr wurde mit einem Fahrzeug, dessen Halterin die Klägerin ist, eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen. Dabei wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts um 26 km/h überschritten. Auf dem Tatfoto ist ein junger Mann am Steuer gut zu erkennen. Die Behörde hat daraufhin der Klägerin einen Zeugenfragebogen zugeschickt, den sie jedoch unter Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nicht beantwortete. Die Behörde kündigte an, eine Fahrtenbuchauflage zu prüfen, falls die Klägerin weiterhin keine Angaben zum Fahrer machen würde.


Es kam schließlich zur Anordnung eines Fahrtenbuches und zur Klage. Dagegen wandte sich die Adressatin mit einem Rechtsbehelf. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab, aber in der Berufung hatte die Klägerin Erfolg.


Ermittlungsbemühungen müssen gegeben sein

Das OVG Münster äußerte sich erneut zu den Voraussetzungen einer Fahrtenbuchauflage, insbesondere zur "Unmöglichkeit" im Sinne des § 31a StVZO. Dabei stellte das Gericht fest, dass die Ermittlungsbemühungen der Bußgeldbehörde defizitär waren und eine Fahrtenbuchauflage daher unzulässig war.


Die Behörde hatte die Klägerin zeitnah angehört und erhielt von ihr die Berufung auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht. Trotzdem unternahm die Behörde keine weiteren Ermittlungsschritte, obwohl das Tatfoto den Fahrer deutlich erkennen ließ. Eine Melderegisterabfrage bei der zuständigen Meldebehörde hätte beispielsweise Auskunft über mögliche Familienangehörige, die als Fahrer in Betracht kommen könnten, geben können.


Das OVG kritisierte, dass die Behörde es versäumt hatte, die unter der Anschrift der Klägerin wohnhaften Personen zu ermitteln und somit einen konkreten Ermittlungsansatz zu verfolgen. Auch die Einwände der Behörde gegen die Praktikabilität und Erfolgsaussichten weiterer Ermittlungsbemühungen wurden vom OVG nicht anerkannt.


Die Entscheidung des OVG Münster verdeutlicht die hohen Anforderungen an eine Fahrtenbuchauflage. Wenn die Fahrerfeststellung nicht unmöglich ist, muss die Behörde angemessene Ermittlungsbemühungen unternehmen, um den Fahrzeugführer zu identifizieren. Dabei kann es auch notwendig sein, Melderegisterabfragen durchzuführen oder Lichtbildabgleiche vorzunehmen.

Es genügt nicht, dass die Behörde nur solchen Ermittlungsansätzen nachgeht, die sicher zum Erfolg führen. Unmöglichkeit liegt nur dann vor, wenn alle zumutbaren Ermittlungsmaßnahmen erfolglos waren. In diesem Fall ist eine Fahrtenbuchauflage unzulässig.


Die Entscheidung des OVG Münster verdeutlicht, dass die Behörden bei der Fahrerfeststellung von Verkehrsverstößen sorgfältig und angemessen ermitteln müssen. Eine Fahrtenbuchauflage ist nur dann zulässig, wenn alle anderen Möglichkeiten zur Feststellung des Fahrzeugführers ausgeschöpft wurden und das Ergebnis dennoch negativ ist.


AZ.: OVG Münster, Urt. v. 31.05.2023 - 8 A 2361/22


Hinweis:


Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht


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