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E-Scooter als Tretroller benutzt unter Drogeneinfluss – ist das strafbar?

Das Landgericht Hildesheim hatte im September 2022 über einen kuriosen Berufungssachverhalt zu entscheiden. Es handelte sich um einen Beschuldigten, welcher mit einem Elektrokleinstfahrzeug oder E-Scooter auf öffentlicher Straße fuhr. Der E-Roller war zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht mit Strom versorgt und hat durch die Energie des Akkus für Antrieb gesorgt, sondern der Betroffene hat den E-Roller wie einen analogen Tretroller benutzt und ihn mit Muskelkraft bewegt.

Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Mai 2021 kam es zu einer üblichen Kontrolle des Betroffenen, welcher sich gerade mit seinem E-Scooter in der Innenstadt bewegte. Die Beamten wurden auf den Mann aufmerksam, weil dieser kein Kennzeichen am Roller befestigt hat, welches auf eine zwingende Haftpflichtversicherung hinweist. Zudem haben die Beamten eine Blutkontrolle angeordnet, welche positiv auf THC verlief. Der Roller war zum Tatzeitpunkt jedoch nicht mit Energie versorgt, sondern wurde seitens des Angeklagten mit Muskelkraft bewegt.


Das erstinstanzliche Amtsgericht hat den Betroffenen wegen des vorsätzlichen Gebrauchs des Fahrzeuges auf öffentlichen Wegen und Plätzen ohne die erforderliche Haftpflichtversicherung verurteilt. Vom Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis wurde er jedoch freigesprochen. Gegen dieses Urteil hat sowohl die Staatsanwaltschaft als auch der Angeklagte Berufung eingelegt. Ziel der Berufung der Staatsanwaltschaft war eine Verurteilung des Angeklagten auch wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Ziel des Rechtsmittels des Angeklagten war ein Freispruch insgesamt. Der Angeklagte hatte Erfolg.


Freispruch aufgrund des „Nichtgebrauchs“ des Fahrzeuges

Das Landgericht hat seinen Freispruch damit argumentiert, dass § 6 PflVG ein „Gebrauchen“ des Kraftfahrzeuges voraussetzt. Gebrauchen bedeutet die bestimmungsgemäße Benutzung des Kraftfahrzeugs zum Zweck der Fortbewegung. Nach Ansicht des Gerichts stellt das Fortbewegen eines E-Scooters mit bloßer Tretkraft kein „Gebrauchen“ nach dieser Norm dar.

Ältere Gerichtsentscheidungen aus den 1980er Jahren haben sich bereits schon mal mit dem Antrieb der Muskelkraft in Bezug auf solche Fahrzeuge beschäftigt und kamen immer zu dem Ergebnis, dass die Trittkraft allein nicht den „Gebrauch“ eines Fahrzeuges auslöst, sei es ein Mofa oder das Schieben eines KFZs.


Durch die mangelnde Motorleistung wird keine typische Verkehrsgefahr seitens des Fahrzeuges ausgelöst, welche bei mangelnder Kontrolle durch das Strafrecht sanktioniert werden soll. Durch bloßes Schieben oder Ziehen aus eigener Körperkraft kann nicht die gleiche Kraft entwickelt werden.


Gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG macht sich strafbar, wer ohne die erforderliche Fahrerlaubnis „ein Kraftfahrzeug führt“. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist Führer eines Kraftfahrzeugs, wer es unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzt oder unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrtbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenkt“. Nach dieser Definition ist für die Benutzung eines E-Scooters als bloßen Tretroller § 21 StVG erst recht nicht einschlägig.


Auch für den Umstand, dass die dem Angeklagten eine Dreiviertelstunde nach der Verkehrskontrolle abgenommene Blutprobe Wirkstoffkonzentrationen aufwies, die den analytischen Grenzwertes für THC von 1 ng/ml insgesamt über 90(!)-fach überschreiten, kann er letztlich nicht belangt werden, weil Voraussetzung für eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG ebenfalls das Führen eines Kraftfahrzeugs wäre und der Straftatbestand des § 316 StGB („Trunkenheit im Verkehr“) zwar nur das Führen eines „Fahrzeugs“ verlangt, es für Fahruntüchtigkeit infolge von Drogenkonsum jedoch keine Wirkstoffgrenzen für „absolute“ Fahruntüchtigkeit gibt, vielmehr die Feststellung der Fahruntüchtigkeit anhand einer umfassenden Würdigung der Beweisanzeichen im Einzelfall erforderlich ist.


LG Hildesheim, Urt. v. 20.09.2022 – 13 Ns 40 Js 25077/21


AdobeStock Foto-Nr.: 279653304


Hinweis:


Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht


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