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AutorenbildRA Sven Skana

Eineinhalb Jahre Jugendstrafe aufgrund Kriegsverbrechen

Aktualisiert: 29. Nov. 2022

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat am 05.10.2022 ein Urteil veröffentlicht, welches sich mit der Jugendstrafe eines Syrien-Kämpfers beschäftigt, welcher in seinem Heimatland etwaige Kriegsverbrechen begangen hat. Er wurde seitens des Gerichts zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung ist zur Bewährung ausgesetzt.


Dem Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Angeklagte lebte zuvor mitsamt seiner Familie in einer ländlichen Gegend in Syrien. Als 2011 die Proteste gegen die Regierung eskalierten und der Bürgerkrieg ausbrach, erlitt der Angeklagte bei Luftangriffen eigene Verletzungen und verlor zudem weitere Familienmitglieder durch die Angriffe der syrischen Regierung. Aufgrund dieser Traumata schloss er sich der Widerstandsgruppe der „Freien Syrischen Armee“ an, welche zu diesen Zeiten gegen das Assad-Regime kämpfte. Als der Angeklagte als ein Kampfgrupp der Rebellen weiter gegen die Regierung vorrückte stießen er und seine Mitkämpfer am 30. Dezember 2013 auf den Leichnam eines zuvor im Kampf gefallenen Soldaten der syrischen Streitkräfte. Die Rebellen nahmen an, dass es sich hier um einen Piloten der syrischen Luftwaffe unter der Assad-Regimes handelt. Aus Wut auf das Regime und das Militär sowie die derzeitige Situation in ihrem Land wurde der Angeklagte dazu angestachelt, den Leichnam weiter zu schänden.

In einem Kurzvideo, welches wohl durch seine Mitkämpfer aufgenommen wurde, ist ersichtlich, dass der Beklagte den getöteten Soldaten mit voller Wucht in den Bauch tritt und mit seinem Stiefel über das Gesicht des Toten fuhr und ihn gleichzeitig beleidigte.

Nach dieser Situation hat der Angeklagte mit weiteren Mitkämpfern mit der Leiche für ein Foto posiert und eine erfolgreiche „Großwildjagd“ nachgeahmt.


Die Tatzeit ist ausschlaggebend für die Anwendung des Jugendstrafrechtes

Der Angeklagte ist im November 2015 nach Deutschland eingereist und wurde nach Bekanntwerden des Videomaterials am 18.08.2021 in Frankfurt am Main festgenommen. Seitdem befand er sich bis Juli 2022 in Untersuchungshaft – seitdem wurde er jedoch vom weiteren Vollzug der U-Haft verschont.

Der Senat des Oberlandesgerichts hat den Haftbefehl aufgehoben. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass in der Sache Jugendstrafrecht Anwendung findet, da der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tatbegehung erst 18 Jahre alt war und zudem in seiner Entwicklung durch die äußeren Umstände in Syrien verzögert war.


Die Aussetzung der Vollstreckung der Jugendstrafe zur Bewährung ist erfolgt, weil der nicht vorbestrafte Angeklagte sich seit Begehung der Tat straffrei geführt hat und ihm im Laufe des Vollzugs einer ca. einjährigen Untersuchungshaft das von ihm begangene Unrecht in besonderem Maße verdeutlicht worden ist. Hinzukommt, dass der Angeklagte nach seiner Einreise in die Bundesrepublik eine positive Entwicklung genommen hat:

Er lebt seit 2019 in einer stabilen Partnerschaft, hat mit seiner Partnerin eine Familie sowie einen gemeinsamen Wohnsitz begründet und ist - im Rahmen seiner gesundheitlichen und der ausländerrechtlichen Möglichkeiten - beruflichen Beschäftigungen nachgegangen. Der für die nach der Strafaussetzung erforderlich werdenden Entscheidungen zuständige Jugendrichter wird dem Angeklagten zudem Auflagen und Weisungen erteilen, die diese positive Entwicklung stützen sollen. Das Urteil ist rechtskräftig.


Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 05.10.2022 - 5-2 OJs 15/20 - 1/22 –


AdobeStock Foto-Nr.: 216845226


Hinweis:


Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht


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