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  • AutorenbildSimon Eberherr

Entbindung von der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung

Im Verkehrsstrafrecht gibt es immer wieder Fälle, in denen sich der Angeklagte von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbinden lassen möchte. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig mit Beschluss vom 08.06.2023 beschäftigt sich mit einem solchen "Entbindungsfall" gemäß § 73 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG).


Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde:

In dem vorliegenden Fall hatte der Verteidiger des Betroffenen beantragt, dass sein Mandant von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden werde. Der Betroffene räumte seine Fahrereigenschaft zum vorgeworfenen Zeitpunkt ein, wollte sich jedoch zu keinen weiteren Aspekten der Sache äußern. Der Verteidiger legte dem Gericht eine Vertretungsvollmacht vor, die ihm ermächtigte, den Betroffenen in Abwesenheit zu vertreten.

Das Amtsgericht lehnte den Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht ab. Es führte aus, dass die Anwesenheit des Betroffenen zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts erforderlich sei. Da die geladenen Zeugen nach Aktenlage persönlichen Kontakt mit dem Betroffenen hatten, sei seine Anwesenheit zur Sachaufklärung notwendig. Da weder der Betroffene noch sein Verteidiger zum Hauptverhandlungstermin erschienen, verwarf das Amtsgericht den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gemäß § 74 Abs. 2 OWiG.


Gegen diese Entscheidung legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein, die Erfolg hatte.


Voraussetzung der Entbindung waren gegeben

Das Oberlandesgericht stellte fest, dass das Amtsgericht den Betroffenen gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von seiner Anwesenheitspflicht hätte entbinden müssen. Die Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid nach Ablehnung des Entbindungsantrags sei daher rechtsfehlerhaft. Gemäß § 73 Abs. 2 OWiG entbindet das Gericht einen Betroffenen von seiner Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung, wenn er erklärt hat, dass er sich nicht zur Sache äußern werde und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.


Das Oberlandesgericht stellte fest, dass der Betroffene in seinem Antrag deutlich gemacht hatte, dass er keine weiteren Angaben zur Sache machen würde. Daher war von seiner Anwesenheit in der Hauptverhandlung keine weitere Sachaufklärung zu erwarten. Das Amtsgericht konnte keine ausreichende Begründung liefern, warum es trotz der Angaben des Betroffenen auf eine weitere Sachaufklärung hoffte.


Das Urteil des Oberlandesgerichts Braunschweig verdeutlicht, dass das Gericht einem Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht gemäß § 73 Abs. 2 OWiG entsprechen muss, sofern die Voraussetzungen vorliegen. Die Anwesenheit eines Betroffenen in der Hauptverhandlung kann nur dann unverzichtbar sein, wenn dadurch die gebotene Sachaufklärung ermöglicht wird. Spekulative Erwägungen, dass die Anwesenheit des Betroffenen zu einem Erkenntnisgewinn führen könnte, reichen nicht aus. Diese Entscheidung zeigt erneut, dass die Gerichte die Voraussetzungen für die Entbindung von der Anwesenheitspflicht genau prüfen müssen und nicht einfach die persönliche Anwesenheit des Betroffenen verlangen können, ohne konkrete Gründe dafür anzuführen. Eine sorgfältige Abwägung der Erforderlichkeit der Anwesenheit ist von entscheidender Bedeutung, um den Grundsatz des fairen Verfahrens zu wahren und unnötige Belastungen für den Betroffenen zu vermeiden.


Az.: OLG Braunschweig, Beschl. v. 08.06.2023 – 1 ORbs 48/23


Hinweis:


Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht


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