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LG Lübeck: Ein Abstand von 260m zur Unfallstelle ist nicht mehr als „Unfallort“ zu deklarieren

Das Landgericht Lübeck hat sich mit seiner Entscheidung aus dem Jahr 2021 gezielt mit der Problematik der „Unfallflucht“ beschäftigen müssen. Den Richtern lag die Frage vor, inwieweit eine Entfernung vom Ort des Geschehens noch als Unfallort im Sinne des § 142 StGB zählt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Unfallort unmittelbar am Geschehen festgelegt wird, ein Abstand von 260m zum Erstkontakt der Fahrzeuge ist somit nicht mehr als Unfallort zu deklarieren.

Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Aus den Ermittlungen des Gerichts ergibt sich, dass die Beschuldigte zum Tatzeitpunkt eine Audi Q7 mit einem Anhänger führte, auf welchem weitere zwei Kraftfahrzeuge geladen werden könnten. Als diese in der Lübecker Innenstadt unterwegs war, hat sich bei einem Abbiegevorgang mit ihrem Anhänger einen Fiat Panda gestreift. Das beschädigte Fahrzeug wies eine 190cm lange Schramme sowie zahlreiche Dellen und Schmutzrückstande auf. Der Anhänger selbst hat keine Schäden davongetragen. Da die Beschuldigte die Kollision mit dem geparkten Fahrzeug wohl nicht bemerkte, setzte Sie ihre Fahrt fort. Ein Taxifahrer hat die ganze Sache beobachtet, die Beschuldigte verfolgt und Sie auf den Unfall angesprochen. Währenddessen hat er die Polizei informiert.

Der Audi mit dem Anhänger befand sich zu diesem Zeitpunkt knapp 250m entfernt vom geschädigten Fahrzeug. Als der Taxifahrer die Frau und ihre Begleitung auf den Unfall aufmerksam gemacht hat, haben diese geantwortet, dass Sie sich unverzüglich darum kümmern werden.


Aufgrund des Verdachts der unerlaubten Entfernung vom Unfallort kam es mit Beschluss des Amtsgericht Lübecks gemäß §§ 111a StPO, 69 StGB zur vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis und zur Beschlagnahme des Führerscheins. Dagegen wandte sich die Fahrzeugführerin mit einer Beschwerde. Sie argumentiert, dass Sie den Unfall nicht bemerkt habe. Als der Taxifahrer Sie darauf aufmerksam machte, habe er Sie bereits in Kenntnis gesetzt, dass er die Polizei informiert hat und Sie sich um nichts Weiteres kümmern müsste. Daraufhin habe der Taxifahrer den Anhänger fotografiert. Nachdem die Fahrzeugführerin und ihre Begleitung in der Folgezeit den Halter des geschädigten Fahrzeuges ausfindig machen wollten, ihn jedoch nicht aufgefunden haben, haben Sie ihre Fahrt fortgesetzt.


Das Landgericht Lübeck hat die Beschwerde der Beschuldigten für zulässig und begründet erachtet. Es bestehe kein dringender Tatverdacht des § 142 StGB, da nachzuvollziehen ist, dass die Beschuldigte mit diesem Gespann den Unfall nicht unmittelbar wahrgenommen hat. Es erscheint nachvollziehbar, dass sie inmitten des starken Verkehrs und mit einem Beifahrer im Fahrzeug nicht bemerkt haben könnte, dass ihr sehr langer Anhänger ein geparktes Fahrzeug streifte. Auch wenn der Fahrer des ihr entgegenkommenden Taxis ein Geräusch wahrnahm, muss dies nicht auch auf die Beschuldigte zutreffen. So könnte der Taxifahrer mit offenem Fenster gefahren sein, die Beschuldigte aber nicht.



260m ausreichend für den Wegfall des unmittelbaren räumlichen Bezugs zum Geschehen


Das Entfernen nicht vom Unfallort selbst, sondern von einem anderen Ort, an welchem der Täter erstmals von dem Unfall erfuhr, erfüllt nicht den Tatbestand des § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB (BGH NStZ 2011, 209). Wenn die Beschuldigte, ihrer Einlassung entsprechend, die Stargardstraße bis zum Ende fuhr, um dort zu wenden, entfernte sie sich laut „Google Maps” rund 260 Meter von der Unfallstelle, wobei sie sich infolge einer Kurve auch nicht mehr in Sichtweite befand. Hier bestand kein unmittelbarer räumlicher Bezug zu dem Unfallgeschehen mehr. Für feststellungsbereite Personen wäre sie hier nicht als warte- und auskunftspflichtig zu erkennen gewesen. “


LG Lübeck, Beschl. v. 07.09.2021 – 4 Qs 164/21


AdobeStock Foto-Nr.: 222933200


Hinweis:


Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt.


Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung. Zudem übernimmt in der Regel eine Rechtsschutzversicherung alle Anwaltskosten und auch die Verfahrenskosten eines Rechtsstreits. Wir informieren Sie auf jeden Fall gern im Voraus zu allen anfallenden Kosten.


Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht

Anwalt für Strafrecht


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