Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat sich Anfang des Jahres 2022 mit der Fahrverbotsverhängung bei einem Rotlichtverstoß beschäftigen müssen, welcher durch den sogenannten „Mitzieheffekt“ eingetreten ist. Davon ist die Rede, wenn sich ein Fahrzeugführer von den anderen wartenden PKWs vor einer Ampel trotz der Anzeige eines Rotlichtes „mitziehen“ lässt, um doch noch über die Kreuzung zu gelangen.
Nach der Ansicht der Richter aus Frankfurt verdient diese Konstellation eines Rotlichtverstoßes keine Ausnahmestellung und muss demnach von der Schwere der Sanktion hinsichtlich eines Fahrverbotes genauso gehandhabt werden wie ein üblicher Rotlichtverstoß.
Die Entscheidung des OLG beruht auf folgendem Sachverhalt:
Der betroffene Omnibus-Fahrer befuhr eine öffentliche Straße, welche an einer Kreuzung durch Lichtanlagen geregelt wurde. Als er vor der Ampel stand, standen noch weitere etliche Fahrzeuge vor ihm. Nach einer kurzen, unbestimmten Zeit schaltete die Lichtzeichenanlage drei Sekunden lang auf gelbes Licht, bevor letztendlich das Rotlicht erschien. Obwohl die Ampel bereits mindestens 1,1 Sekunden Rotlicht anzeigte, überfuhr der Betroffene mit seinem Omnibus die Haltelinie, da er den Zugeffekt der vorherigen Fahrzeuge ausnutzte und die weiteren Fahrzeuge hinter ihm nicht plötzlich ausbremsen wollte.
Das zuständige Amtsgericht hat ihn deshalb aufgrund eines qualifizierten Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 200 EUR sowie einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt.
Gegen diese Entscheidung legte der Beschuldigte Rechtsmittel ein, was dazu führte, dass die Sache vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main verhandelt wurde. Die Richter aus Frankfurt stimmen jedoch mit der amtsgerichtlichen Vorentscheidung überein. Laut deren Argumentation zeigt auch das Nachfahren mit dem sogenannten „Mitzieheffekt“ eine derartige Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr, dass es einer Denkzettel – und Besinnungsmaßnahme bedarf. In dieser Hinsicht ist die Verhängung eines Fahrverbotes für solch eine grobe Pflichtverletzung in objektiver und subjektiver Sicht indiziert.
Mitzieheffekt bei Rotlicht würdigt keine Ausnahme vom Fahrverbot
Würde man zudem vom Regelfall eines Rotlichtverstoßes ausgehen, so müssten erhebliche Besonderheiten zugunsten des Betroffenen eintreten, so dass von einer Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen wird. Dafür ist entweder erforderlich, dass schon keinerlei Gefährdung weitere Verkehrsteilnehmer besteht, weil auch eine nur abstrakte Gefährdung völlig ausgeschlossen ist, sodass der Erfolgsunwert erheblich vermindert ist. Somit lässt eine auch nur abstrakte Gefährdung den indizierten Erfolgsunwert eines Rotlichtverstoßes noch nicht entfallen.
Im vorliegenden Fall kann man jedoch aufgrund der Rücksichtslosigkeit bezüglich der Einfahrt in eine voll befahrene Kreuzung davon ausgehen, dass eine Gefährdung bestand und zeitgleich vom Fahrzeugführer auch vollumfänglich erkannt wurde.
Aus diesen Gründen ist das Fahrverbot im vorliegenden Fall geboten.
OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 31.01.2022 – 3 Ss-OW i 41/22
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Hinweis:
Bitte beachten Sie, dass es einer genauen Prüfung des Einzelfalls bedarf, um herauszufinden, ob sich Ihr eigener Sachverhalt genau mit dem oben geschilderten Anwendungsfall deckt. Für diesbezügliche Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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Sven Skana
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Anwalt für Strafrecht
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